Seite - 326 - in Handbuch der Ornamentik - Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
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326 Gefäfse.
Wie weit die Gefäfsbildnerei in vorhistorische Zeiten hineinragt,
ergeben die aus den Schlammablagerungen des Nilthaies und den
geologischen Verhältnissen an nordischen Küsten gewonnenen Berech-
nungen, welche für die an den betreffenden Stellen gemachten Ge-
fäfsfunde das respektable Alter von lO—I2cxxi Jahren ergeben. Der
Umstand, dafs die Keramik aufser dem praktischen Bedürfnis bei
verschiedenen alten Völkern auch dem religiösen und dem Toten-
kultus dienen mufste, speziell die Sitte, den Verstorbenen Gefäfse mit
ins Grab zu geben, oder die Asche der Dahingeschiedenen, in Urnen
geborgen, der Erde zu übermachen, hat uns wenigstens bestimmte
Arten von Gefafsen erhalten, von denen uns andernfalls nur Schutt
und Scherben geblieben wären.
Wir umfassen in dem Begriff Keramik nicht nur die eigentlichen
Töpfereien, sondern die gesamte Gefä sbildnerei. Aufser den in
erster Reihe in Betracht kommenden Materialien der Thone und
Erden, des Glases und der Metalle, sind es zunächst Stein, Holz und
Elfenbein, die neben weniger gebräuchlichen Stoffen zur Anwendung
gelangen. Jedes dieser Materiale wird dem aus ihm zu bildenden
Gefäfse einen besonderen Charakter aufdrängen; die entsprechende
Technik wird seinen Formalismus bedingen oder verändern. Ein
Metallgefäfs wird andere Formen und Verzierungen annehmen müssen,
als ein solches aus Glas oder Porzellan; eine Thonvase wird sich
nicht ohne weiteres in Marmor übertragen lassen, ohne dafs das
Stilprinzip Not leidet. Anderseits werden Zweck und Gebrauch das
Material beeinflussen, so dafs eine gegenseitige Wechselbeziehung ent-
steht, die zum Studium der Keramik geradezu auffordert und dasselbe
ungemein lehrreich und anregend erscheinen läfst.
Wenn für die Gruppe der Gefäfse die zahlreichsten Beispiele
der antiken Gefäfsbildnerei entnommen sind, so hat dies seinen
Grund darin, dafs gerade diese Epoche ein in sich abgeschlossenes
Gesamtbild zu bieten vermag Und dafs gerade im griechischen Stile
die genannte Wechselwirkung, die gesetzmäfsige Formgestaltung und
das tektonische Prinzip durchschnittlich am reinsten und unverfälsch-
testen zum Ausdruck gelangen. Wenn aber andererseits neben antiken
Formen die Bildungen anderer Länder und Zeiten in passendem
Zusammenhang mit aufgenommen sind, so geschah dies, um das
Gesamtbild zu verallgemeinern und dem Bedürfnis und den An-
forderungen unserer Zeit mehr Rechnung zu tragen, als es durch die
Monographieen griechischer Keramik allein geschehen kann, wie sie in
einer Reihe vorzüglicher Spezialwerke vorliegen.*)
In Anbetracht der hervorragenden Wichtigkeit der antiken Keramik
und des Thonmaterials überhaupt, mögen an dieser Stelle einige all-
gemeine dahin bezügliche Notizen folgen, während das in bezug auf
*) Von derartigen Werken, die sich bezüglich ihrer Ausstattung, iiires Um-
Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur