Seite - 460 - in Handbuch der Ornamentik - Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
Bild der Seite - 460 -
Text der Seite - 460 -
460 StuM und Sessel.
etwaiges Anlehnen des Kopfes nicht gerade am oberen Abschlufs der
Lehne erfolgen darf. Die Oberkante der Annlehnen erreicht einen
Abstand vom Boden von 65—75 cm. Gerade, senkrechte Rücklehnen
sind selbstverständlich unbequemer als geschweifte Linien, die sich
der natürlichen Lage des Körpers anpassen. Ebenso sind gerade,
horizontale Sitzflächen nicht so geeignet als gebogene, nach hinten
abfallende Neigungen.
Als Material kommen in erster Linie in Betracht: Holz, Rohr
und Metall, seltener Stein, Thon u. s. w. Da ein hartes Material
das Sitzen auf die Dauer erschwert, hat man frühzeitig zu Rohr-
geflechten, Gurtspannungen, Tierfellen, Kissenbelegen und Polsterungen
für Sitze und Lehnen gegrifTen. Mit der Zunahme der Bequemlichkeit
im allgemeinen sind auch die Sitzmöbel im Laufe der Zeit komfortabler
geworden. Es möge hier noch betont sein, dafs gerade die schönsten
und reichst verzierten Sitzmöbel gewöhnlich nicht die praktischsten zu
sein pflegen; die übrigen Bemerkungen, besonders über das Formale,
mögen bei Erwähnung der einzelnen Formen ihren Platz finden.
Stuhl und Sessel. (Tafel 241 — 243.)
Der Stuhl oder Sessel (von dem lateinischen sessa) ist der
Sitz mit Rücklehne. Die gewöhnlichste Form zeigt 4 Füfse, die zwei
vordem niedrig, die beiden hintern erhöht. Die Verbindungen der
Füfse durch ein entsprechendes Rahmenwerk bilden den Sitz und die
Lehne. Nicht selten werden die Füfse durch weitere Quer- oder
Diagonalverbindungen untereinander befestigt (Stege oder Spriegel).
Der Sitz hat im allgemeinen die Form eines Rechtecks, eines Qua-
drates oder Paralleltrapezes mit geraden oder geschweiften Seiten.
Runde und vieleckige Sitze sind seltener. (Vom 13. Jahrhundert ab
treten 6- und 8-eckige Sitze mit der entsprechenden Zahl von Füfsen
auf, ebenso zeigen gewisse Holzstühle der Renaissance Sitzbretter von
der Form regelmäfsiger oder halbregelmäfsiger Vielecke (Taf. 242.
3 u. 6). Die Füfse, kantig oder gedreht, endigen häufig nach unten
in Tierklauen, die hintem Füfse nach oben in Knäufe und Tier-
und Fratzenköpfe (Taf. 241. i., 242. i., 243. 4. 5. 6). Statt der
Füfse treten zur Zeit der Renaissance an Holzstühlen wohl auch
ausgesägte und geschnitzte Stützbretter auf, zu beiden Seiten oder
vom und hinten angebracht (242. 3. 5. u. 6). Wo die Rücklehne
aus einem Brett geschnitzt wird, wie bei vielen Renaissancestühlen
und beim modemen Kneipstuhl, behalten die beiden hintem Füfse
gleiche Höhe und Form mit den Vorderfüfsen (Taf. 242. 7 u. 8;
243. i). Vielfach wird die Rücklehne als Rahmenwerk behandelt
(Taf. 241. 5. 8 u. 10) oder sie wird zylindrisch gebogen, wie dies
beim griechischen „Klismos" (241. 6 u. 7) und dem ihm nachge-
Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur