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Schlage. Au den öffentlichen Angelegenheiten nimmt dieses Volk regen Antheil und
widmet sich ihnen mit Ernst. Die Mitglieder eines ländlichen Gemeinderathes sitzen in
ihren Versammlungen mit einer Feierlichkeit, als hätten sie die Geschicke der Welt zu
entscheiden. Das Vewnßtsein, daß das allgemeine Vertrauen sie zn einer Würde erhoben,
welche ihnen die Macht gibt, ihrem Dorfe zu
nützen oder zu schaden, prägt sich auf ihren
Angesichtern aus. Ruhig, kühl sprechen sie zur
Sache, selten gerathen sie in Hitze, vielmehr ist
ihre Logik oft erstaunlich streng und folgerichtig.
Und auch die Angelegenheiten des Landes finden
bei diesen einsachen Dorsmenschen die sorgfältigste
Beachtung.
Und doch geuießt dieses Volk erst seit vierzig
Jahren die durch die Verfassung gewährleisteten
Rechte. Vorher hatte es weder ein Recht, noch
Gelegenheit, au der Entscheidung politischer
Fragen theilzunehmen. Nur den Privilegien
stand solches zu. Das Volk hatte höchstens bei
der Ordnung seiner Gemeindeangelegenheiten
eine Stimme. Aber dieses Feld genügte ihm zur
Erwerbung von Eigenschaften und zur Aus-
bildung eines nüchternen Verstandes, wie sie
nicht bald wieder vorkommen. — Von einem
Manne des öffentlichen Lebens fordert dieses
Volk Uneigennützigkeit, tadellosen Charakter nnd
Sittenstrenge, weil es selber in seinem Schoße
viele solche Männer hat. Leichter verzeiht es
übertriebene Strenge als Lauheit und Nachsicht.
Die Bewohner von Näczkeve z. B. beschuldigen
im Jahre 1724 ihreu Richter Gregor Esorta
Takacs, daß er zwar „seinem Richteramte löblich
entsprochen, aber nm die Flnchmänler sich nicht viel gekümmert und sie nicht nach Verdienst
gestraft habe, indem er die Barmherzigkeit über die Gerechtigkeit setzen wollen, da doch
anch diese gewahrt sein wollte, ohne daß darum jene ausgegeben zn werden brauchte".
Dem Fremdling gegenüber, so lange es ihn nicht genau kennt, ist dieses Volk
behutsam, ja mißtrauisch. Für geräuschvolle Rede hat es keiu Gehör, wohl aber beugt es
Motiv aus d?m Friedhofe von Nagy-Körös.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch