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Am 18. November. 453
Der Richter erwartete, daß entweder die schmerzliche Marter
den Muth des Knaben überwältigen, oder den Anblick des zerfleischten
Kindes das Herz der Mutter brechen, und diese selbst den kleinen
Märtyrer von seinem Bekenntnisse abzustehen crmuntern werde. Allein
seine Erwartung ward getäuscht. Schon freute sich der grausame
Mann in seinem argen Herzen des gewissen Sieges, als der Knabe,
dem der große Blutverlust heftigen Durst verursachte, schrie: „Mich
dürstet, gebt mir zu trinken!" Aber wie beschämt mußte er da
stehen, als die Mutter zu dem Kinde hinging, und dasselbe ermähnte,
auch diesen Durst standhaft zu ertragen. Sie stellte ihm das Ziel
vor, dessen Erreichung jetzt so nahe sey, welches aber nur durch Aus-
harren in der Qual erlangt werden könne." „Jetzt ist der Augen-
blick da," sprach sie voll des heiligen Eifers zu ihrem Lieblinge,
„in dem du den bittern Kelch der Leiden trinken mußt, den schon
so viele andere Kinder, welche jünger als du waren, gekostet haben.
Diese Leiden werden dich zur ewigen Freude führen." Die fromme
Mutter stärkte noch ihren Sohn durch die Erinnerung an den Hcl-
dcnmuth der machabäischen Brüder, und sich selbst durch die Erinne-
rung an die Mutter derselben.
Mit neuem Muthe hielt der Knabe die fortgesetzte Marter aus.
Selbst die rohen Schergen, sowie das umstehende Volk wurden ge-
rührt durch seine unerschütterliche Standhaftigkeit, und brachen in
mitleidige Thränen aus über die grausame Mißhandlung, die er er-
dulden mußte. Die Mutter allein und der Knabe blieben frohen
Muthes, gestärkt durch Gottes allc^ vermögende Hilfe, und durch die
Hoffnung der nahen, herrlichen Vollendung. Der barbarische Rich-
ter wollte die Beschämung, sich von einem schwachen Weibe und von
einem zarten Kinde überwunden zu sehen, länger nicht mehr ertragen,
er sprach das Urtheil, daß der Knabe durch das Schwert getödtet
werde. Die Mutter dankte Gott für dieses Urtheil, und trug ihren
Liebling selbst an den Ort, wo derselbe vollendet werden sollte, mit
der glaubcnsvollcn Ergebung, mit welcher Abraham seinen Isaak zum
Opferaltarc führte.
Als der Scharfrichter den Knaben zur Vollziehung des Urtheils
aus ihren Annen foderte, drückte sie noch den letzten Mutterkuß auf
seine Wange, gab ihn hin, und sprach: „Lebe wohl, Liebling mei-
nes Herzens! Wenn du bei Christo im ewigen Reiche bist, so ge-
denke deiner Mutter, und sey ihr Fürbitter." Mit sichtbarem Wider-
willen verrichtete der Scharfrichter sein Amt. Die Mutter faßte das
Blut des kleinen Märtyrers, so gut sie konnte, auf, nahm den ent-
seelten Leichnam, und trug diese köstlichen Ucberbleibscl nach Hause,
Gott preisend, daß er ihr und ihrem Kinde die Gnade der aushar-
renden Standhaftigkeit verliehen habe.
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen