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Am 5. Jänner. 039
Christum, dem sie in jungfräulicher Reinigkeit ihr ganzes Leben zu
weihen entschlossen war. Nicht der Wunsch der Eltern, nicht das
Zureden der Anverwandten, und nicht der Glanz der angetragenen
ehelichen Verblutungen, waren im Stande, ihren Entschluß zu än-
dern. Den köstlichen Schatz unbefleckter Reinigkeit desto sicherer zu
bewahren, bekräftigte sie in sich das Gefühl der Demuth, und ver-
mied deßwegen auch sorgfältig alle Ziererei und Eitelkeit im Anzüge,
und im äußerlichen Betragen, wohl wissend, daß die Hoffart dem
Falle vorangehe. Sie entzog sich jeder geräuschvollen Unterhaltung,
bewachte mit großer Vorsicht ihre Sinne, und entfernte sich augen-
blicklich von Menschen, welche ihre Unlauterkeit auch nur durch eine
einzige ungebührliche Rede, oder durch eine schamlose Gebärde ver-
riethen. So oft sie es, unbemerkt von andern, thun konnte, entzog
sie sich die bessere Nahrung, und übte sich auf mancherlei andere
Weise in strenger Abtödtung des Körpers, erwägend die Worte des
Apostels: „Je mehr der äußerliche Mensch geschwächt wird, desto
mehr wird der innerliche von Tag zu Tag bekräftiget." Gottselige
Gespräche waren ihrer Seele die angenehmste Unterhaltung, und
jede einsame Stunde widmete sie der heiligen Betrachtung oder dem
Gebethe.
Nach dem Tode ihrer Eltern vertheilte sie ihre ganze ansehn-
liche Erbschaft den Armen, verließ auf göttlichen Antrieb die Stadt,
nahm ihre Schwester, die blind war, mit sich, und wählte sich eine,
nicht fern von Alerandrien befindliche Grabhöhle zum Aufenthalts-
orte. Geleitet von einem gottseligen Greise, ließ sie sich die Haare
schceren, zum Zeichen, daß sie der Welt ganz entsage, und abgeson-
dert von derselben leben wolle. Sie ward also eine Einsiedlerin,
und übertraf bald an Vollkommenheit viele Andere, die schon seit
langer Zeit diesem Berufe sich ergeben hatten. Mehrere Jahre ver-
mied sie allen gesellschaftlichen Umgang, selbst mit Personen ihres
eigenen Geschlechts, damit nicht bemerkt werde ihre strenge Lebens-
weise, und damit sie nicht der Gefahr der Zerstreuung durch irdische
Angelegenheiten ihren Geist Preis gebe. Fast immer begnügte sie
sich mit Brod und Wasser, schlief meistens auf der harten Erde,
und widmete nicht allein die Tage, sondern viele Stunden der Nacht
dem Gebethe und der Betrachtung. Nur dann, wann die Schwäch-
lichkeit ihres Körpers es erforderte, milderte sie auf kurze Zeit diese
Lebensstrenge, nahm gekocht Speise zu sich, und bediente sich eines
bessern Lagers. Sie hatte nämlich die ganz richtige Ueberzeugung,
daß, der Körper nicht durch übertriebene Abtödtung zerstört wer-
den dürfe.
Die gottselige Lebensweise der heiligen Sinkletika blieb nicht
verborgen. „Gott kennt," sagt Athanasius, „diejenigen, welche ihn
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen