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646 Die heilige Thais, eine
Himmel zu erheben, weil deine Lippen unrein, deine Hände befleckt
sind. Begnüge dich, auf der Erde sitzend, und gegen Aufgang
schauend bisweilen auszurufen: „Der Du mich gebildet hast, erbarme
meiner."
Drei Jahre blieb Thais auf solche Weise eingeschlossen. Paphi
nutius hatte Mitleid mit ihr, und reiscte zum heiligen Antonius, um
durch ihn zu erfahren, ob Gott die Sünden ihr erlassen habe. An-
tonius rief die Brüder zusammen, und befahl ihnen die Nacht zu
durchwachen, und im Gebethe zu verharren, „vielleicht," sprach er,
„wird es Gott gefallen, einem seinen Willen zu offenbaren." Pau-
lus, (Simplex) der älteste Schüler des Antonius, ward dieser
barung gewürdiget. Er sah nämlich in der Inbrunst seines
thes den Himmel offen, und in der Mitte desselben, ein köstliches
reich geziertes Bett stehen, welches von drei Jungfrauen, deren An-
gesichter glänzten, bewacht wurde. Als Paulus bei sich selbst sprach:
„Diese Herrlichkilt ist gewiß meinem Vater Antonius bereitet," ver-
nahm er eine Stimme: „Nicht dem Antonius, sondern der Thais
soll sie werden." Des andern Tages erzählte Paulus in der Ver-
sammlung der Brüder das gehabte Gesicht, und Paphnutius, jetzt
des göttlichen Willens gewiß, ci^e zur Zelle, in welcher Thais ein,
geschlossen war, und öffnete die Thüre, nachdem er sie entsiegelt
hatte. Thais bat, daß sie noch länger da gelassen werde, Paphnu-
tius aber sprach: »Gehe heraus; denn Gott hat dir deine Sünden
vergeben!" „Ich kann es mit Gott bezeugen," sagte die Büßerin,
„daß ich, seitdem ich diesen Ort betreten habe, meine Sünden be-
ständig vor Augen hatte, gleichsam zusammengebunden in einen Bün-
del, von dem ich nie meine Augen abwendete." „Darum hat sie
dir Gott vergeben," erwiederte Paphnutius, und führte sie aus der
Zelle heraus. Nach fünfzehn Tagen entschlief sie sanft im Herrn,
und ging ein in die ewige Ruhe.
Ein Geschichtschreiber gibt von den drei Jungfrauen, welche
Paulus im obenerwähnten Gesichte sah, folgende sittliche Erklärung.
Die erste Jungfrau war die Furcht der zukünftigen Strafen, welche
das Gemüth vom Bösen abzieht; die zweite war die Scham über
die begangenen Sünden, welche die Vergebung erwirkt; die dritte
war die Liebe des Guten, welche den Geist zum Himmel erhebt.
„Bessere dich! Fühle dein Elend, traure, weine! Schon ist
dem Baume die Axt an die Wurzel gelegt. Jeder Banm, der
nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen, und in's Feuer geworfen
werden. Es kommt die Nacht, da man nichts mehr wirken kann.
Halte die brennende Lampe bereit, gleich den Bedienten, die ihren
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen