Seite - 720 - in Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres - Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
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720 Der heilige Malchus, Einsiedler.
griffe, sich zu todten. Schon erfaßte er einen Dolch, kehrte dessen
Spitze nach seiner Brust, und sagte zu dem Weibe: „Lebe wohl,
Unglückliche! Du sollst hier nicht deinen Mann, sondern einen Mär-
tyrer sehen," als diese, die eine fromme Christin war, zu seinen
Füßen sich hinwarf, und zu ihm sagte, er solle sich ja kein Leid
anthun. Sie sey, wie er, entschlossen, eher zu sterben, als Ehebruch
zu begehen. »Mag unser Herr glauben," sprachen sie, „daß wir
Mann und Weib seyen, leben wir als Bruder und Schwester, und
es sey genug, daß Jesus Christus um unser Geheimniß wisse." Von
dem Tage an lebten sie als Bruder und Schwester in heiliger Ein«
tracht und Liebe, erwiesen sich dabei aber fortan die schamhafteste
Ehrerbietung, damit sie nicht, sagte Malchus, der Gefahr sich aus-
setzten, zur Zeit des Friedens zu verlieren, was sie durch so schwe-
ren Kampf erhalten hatten.
Lange Zeit lebten sie so. Ihr Gebieter gewann sie ihrer Treue
wegen sehr lieb, und beseitigte ganz die Besorgniß, daß sie ihm ent-
fliehen möchten. . Eines Tages war Malchus allein bei seiner Heerde
in der Wildniß. Er saß auf dem Boden, und vertiefte sich in die
Rückerinnung an die Einsiedelei, in der er gewesen, und an die
Mönche, unter denen er so glücklich gelebt hatte. Auf einmal ward
sein Auge hingewandt auf einen Ameisenhaufen, der in einem engen
Pfade war. Die rege Thätigkeit der kleinen Thiere, ihre Ueberein-
stimmung, die Ordnung und die wechselseitige Unterstützung in der
gemeinschaftlichen Arbeit, die thatige Geschäftigkeit aller zu dem näm-
lichen Zwecke, stellte das lebhafteste Bild des friedlichen Lebens und
des gemeinsamen Wirkens seiner geliebten, verlassenen Mönche vor
seine Seele, und die Erinnerung an Salomons Ausspruch: „Gehe
hin zur Ameise, o Fauler! siehe ihre Handlungsweise an, und lerne
Weisheit," Sprüchw. L, 6., erregte in ihm das Bedürfniß nach
größerer Thätigkeit in den Uebungen des geistigen Lebens, und sehn-
suchtsvolles Heimweh nach der Einsiedelei, die er verlassen hatte.
Dadurch ward er in eine sanfte Schwermuth versetzt, die er, als er
Abends nach Hause kam, vor seiner Gefährtin nicht verbergen konnte.
Diese fragte um die Ursache, und als sie solche vernommen, faßten
sie übereinstimmend den Entschluß, zu entfliehen.
Malchus hatte bei seiner Heerde zwei große Böcke. Diese
schlachtete er. Die abgestreiften Häute richtete er zu Schläuchen zu,
und einen Theil des Fleisches bestimmte er zur Nahrung für die
Reise. Als es Nacht war, verließen sie ihre Höhle, und traten,
versehen mit den Schläuchen und mit dem Fleische die gefahrvolle
Flucht an. Als sie bei dem Flusse, dessen oben erwähnt wurde,
ankamen, blähten sie die Schläuche auf, setzten sich darauf, ließen
sich eine große Strecke den Fluß abwärts tragen, damit sie durch
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen