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Brautschau#

Außenpolitik#

Längst ging der Kaiserhof auf die Suche nach einer künftigen Ehefrau für den jungen Karl von Österreich. Dass das mit der außenpolitischen Komponente Hand und Hand ging, das war freilich klar. Kaiser Leopold lehnte verwandtschaftliche Verhältnisse mit Frankreich ab. So durfte sein ältester Sohn Joseph (I.) nur eine norddeutsche Prinzessin heiraten. Das gleiche galt für Karl. Sowie die Frage um das spanische Erbe akut wurde, begann um 1682 (!) die Suche nach einer geeigneten Prinzessin in ganz Europa. (Damals zählte Joseph erst vier Jahre und sein jüngerer Bruder war damals noch nicht auf der Welt.)

Fortsetzung der Erblinie#

Erotische Belange standen damals einfach nicht zur Debatte. Karl hatte gefälligst die Tatsache zu akzeptieren, nach einer Heirat mit einer für ihn ausgewählten – von der gesellschaftlichen Abkunft und hochadeligem Status – Gefährtin Söhne zu zeugen – um die Erblinie mit Ach und Krach irgendwie fortzusetzen. Wenn möglich: männlich. Die Erziehung mit konservativer Weltanschauung ließ Karl zu einem gottesfürchtigen, barockreligiösen und gewiss keuschen Mann heranreifen, den Vergnügen und Leidenschaften dennoch aus der Reserve lockten ohne seiner Umgebung Kalamitäten zu bieten. Jedenfalls konnte er mit dem weiblichen Geschlecht gut auskommen und sich rasch verlieben – auch in männlichen Gefährten. Seine wahrscheinliche Bisexualität dürfte bei den Moralhütern, auch die gab es es, kaum Kopfzerbrechen bereitet haben. Im Fall einer erkannten Homosexualität wäre das mit verfolgungswürdiger Sodomie gleichgestellt worden. Aber wer hätte es damals gewagt gegen das Habsburger-Kaiserhaus vorzugehen. Moralhüter einst und jetzt – Haha! In den Parks und Wäldern gab es genug Gebüsche und Lusthäuschen. Und die Hofburg hatte viele Kammern.
Dennoch, so schien es, dürfte er anständige Treue als Fundament einer ehelichen Beziehung vorgezogen haben – wohl auch gezwungenermaßen.

Toleranz?#

Andererseits gab es offensichtlich in dieser Epoche doch noch in mancherlei Gesellschaftskreisen eine breite Toleranz, nach dem Prinzip: Erlaubt ist, was gefällt. Gewisse Hinweise in seinem Tagebuch sprechen für sich. Außerdem neigte der Kaiser bei eigenhandschriftlichen Dokumenten – Tagebuch, Jagdkalender, Dekrete … – zur Übertriebenheit, sofern nicht seine Schriftstücke unter großem Zeitdruck entstanden. Ein Psychogramm seiner Existenz wäre hier fehl am Platz – aber trotzdem: Das heißt, seine irgendwie künstlerische Schrift weist übergroße Schnörkel und Verzierungen auf. Beinahe die Schrift eines Schaumschlägers, der große Reden und Versprechungen hielt und worauf am Ende die Tatsachen fehlten – allerdings je nach Fall und habsburgischer Denkart. Vielleicht ein zu scharfes Urteil. Andererseits könnte er ein unsicherer Mensch gewesen sein. Sein mittelalterliches Weltbild hielt ihn bei Laune und half ihn bei Schwierigkeiten. Kaiser Karl VI. war wohl ein Mensch mit tiefer Seele und unergründlichem Wesenszug. Aber ganz ehrlich: Welcher Fürst war das damals nicht? Viele Fürsten blieben durch ihre Porträtgemälde der Nachwelt in Erinnerung. Jedoch verraten sie nicht, wie schwer dessen einzelne Verantwortung in einer Barockwelt lastete.
Damals ließen sich die Fürsten durch ihre mehr oder weniger fähigsten Diplomaten vertreten. Sie nahmen oft wochenlange Reisen auf sich. Wohnten Monate in den Vertretungen ihrer Länder. In Heiratsfragen bzw. der internationalen Heiratspolitik in Hochadelskreisen – heute auch nicht anders – wurden Porträts ausgetauscht, damit die Heiratspartner sich schon an ihr Gegenüber gewöhnen konnten. Und alle Beteiligten konnten oder mussten zufrieden sein. Aber manche Porträts waren verschönte Karikaturen – Egal, sie blieben zufrieden und zusammen, weil sie sonst nichts anderes zu tun hatten.

Hartnäckige Suche nach einer erzkatholischen Prinzessin#

Jedenfalls sahen sich die Gesandten weiter nach einer geeigneten Braut für den Österreicher um. Nun es war schon Tradition, dass die Habsburger-Kaiser norddeutsche Prinzessinnen ehelichten. Warum sollte das bei Karl denn anders sein?
Doch Karl hatte Zweifel, dass eine Königin, die aus Düsseldorf käme in Spanien Durchschlagskraft aufbieten könnte. Karl schrieb voller Bedenken (noch im Dezember 1706): "Wan eine dortige Konigin wirdt finde nie vor gut dass sie auf Dysseldorf kommetet …" ("Wann eine dort in Spanien Königin wird, finde ich nicht für gut, dass aus [dem protestantischen] Düsseldorf kommt") Hoffentlich haben das damals die "Dysseldorfer" Adeligen nie erfahren, was der Österreicher von den dortigen Frauen gehalten hatte. Lutheranerinnen gab es genug.
Vermutlich stieß es in Karl sauer auf, als er hörte, dass die Prinzessin in Düsseldorf zur Welt gekommen war. Karls Mutter war eigentlich eine Düsseldorferin. Vielleicht auch ein Hinweis zum Verhältnis zwischen Karl und seiner Mutter?