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Die Kuenringer-Stadt Dürnstein#

Versteinerte Geschichte des Herzogtums Österreich


Essay von Karl Anton Glaubauf


Die Burg der Kuenringer und König Richard I. "Löwenherz"#

Dürnstein Dürnstein , die "Perle der Wachau", ist nicht nur heute mit jährlich etwa zwei Millionen Touristen die bedeutendste Fremdenverkehrsstadt Niederösterreichs sondern hat auch seit dem 12. Jahrhundert, als der Ort durch die Kuenringer mit der stärksten und modernsten Burg des damaligen Herzogtums Österreich befestigt wurde, im Hochmittelalter eine bedeutende politische Rolle gespielt.

Somit ist es kein Zufall, dass der englische König Richard Löwenherz dort gefangen gehalten wurde. Eine gewaltsame Befreiung oder Flucht sollte von vornherein aussichtslos sein. Die moderne Burg war auch als königliches Quartier geeignet, was für den hohen Lebensstandard der Kuenringer spricht.

Richard I. Löwenherz. Stich, 18. Jh., © Copyright Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien, für AEIOU.
Richard I. Löwenherz. Stich, 18. Jh.
© Copyright Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien, für AEIOU.

Löwenherz war im dritten Kreuzzug bei der Eroberung von Akkon Akkon wegen der Frage des Oberbefehls, den er als König gegenüber dem Herzog beanspruchte, und wegen der Aufteilung der Kriegsbeute, zu der auch Zypern Zypern gehörte, mit Leopold V. in einen schweren Konflikt geraten und wurde auf dem Rückweg vom Kreuzzug in Erdberg bei Wien am 22. Dezember 1192 erkannt und festgenommen.

Der österreichische Herzog hatte nach der Eroberung von Akkon sein Banner auf der Stadtmauer neben jenem des englischen und französischen Königs anbringen lassen, was im Feudalsystem eine massive Provokation darstellte. König Richard liess es in den Burggraben werfen, eine schwere Beleidigung, auf die Leopold mit seiner Abreise reagierte.

Eine lasierte Federzeichnung in der um 1197 in Süditalien entstandenen Chronik des Petrus von Ebulo Ebulo zeigt den als Pilger verkleideten König bei seiner Verhaftung durch zwei österreichische Ritter. Diese tragen einen "Bindenschild", womit die älteste Darstellung des österreichischen Wappens vorliegt.

Das Lösegeld: Zwölf Tonnen Silber für Leopold V.#

In Dürnstein wurde er im Auftrag des Herzogs durch Hadmar II. bis März 1293 gefangen gehalten und anschließend an den deutschen Kaiser ausgeliefert, der ihn auf Burg Trifels Trifels gefangen hielt. Mit seiner Hälfte des Lösegeldes (11.690 kg Silber) verstärkte Leopold die Befestigungen einiger landesfürstlichen Städte wie Wien und Enns und errichtete an der Grenze der Herzogtümer Österreich und Steiermark Steiermark die Stadt Wiener Neustadt. Wiener Neustadt Dies zeigt, welch enorme Summe das Lösegeld für König Richard darstellte. Das Silber wurde in der neugeschaffenen "Münze Österreich" geprägt. Selbst nach den gewaltigen Investitionen blieb noch eine beträchtliche Summe übrig.

Die Aufbringung stellte die Engländer vor große Probleme und hätte Richard beinahe auch die Krone gekostet: Neue Steuern mussten eingeführt und Kirchenschätze eingeschmolzen werden. Die Klöster hatten den Ertrag der Schafschur für ein Jahr abzuliefern, schließlich musste dabei jener Betrag aufgebracht werden, um den König Richard die im Kreuzzug erbeutete Insel Zypern Zypern an den Malteser-Ritterorden verkauft hatte.

Am 2. Februar 1194 wurde Richard dann durch den deutschen Kaiser Heinrich den VI. freigelassen. Für diese erpresserische Vorgangsweise wurden der Kaiser und der Herzog allerdings wegen der Festnahme eines Kreuzfahrers durch den Papst gebannt.

Nach einem Unfall, bei dem Leopold in Graz bei einem Turnier vom Pferd stürzte und sich tödliche Verletzungen zuzog, versprach er zwar, den noch verbliebenen Rest des Lösegeldes zurück zu geben, um vom Bann gelöst zu werden, geschehen ist jedoch nichts. Sein Sohn und Nachfolger als Herzog Friedrich I. konnte sich ebenfalls zu keiner Rückerstattung entschließen.

Auch zeitgeschichtlich hatte dies beträchliche Folgen, da Wiener Neustadt im Zweiten Weltkrieg bevorzugtes Angriffsziel englischer Bomber war. Die tragische Geschichte von "Richard the Lionheart" war und ist nach wie vor, etwa durch die Legende von Robin Hood, im englischen Geschichtsbewusstsein tief verankert. Zahlreiche britische Touristen besuchen daher Dürnstein, wo der Sage zufolge der treue Troubadour Blondel de Neslé seinen König gefunden hat.

Das "Trojanische Schiff"#

1231 führten die Kuenringer einen Ministerialenaufstand gegen den Babenberger-Herzog Friedrich II., den "Streitbaren", an, weil dieser klöster und städte von Steuern befreite, im gegenzug aber den Adel stärker belastete. Friedrich schlug den Aufstand nieder, wobei er die Kuenringer-Burgen Weitra, Aggstein und Dürnstein zerstörte. Dürnstein, die stärkste Festung des Herzogtums, konnte dabei nur mit einer Kriegslist erobert werden: Da Hadmar III. die Donau regelmäßig mit einer Kette sperrte, um die Kauffahrtsschiffe anzuhalten, rüstete Friedrich der Streitbare in Regensburg ein Handelsschiff mit zahlreichen Rittern aus, wodurch die Festnahme Hadmars gelang, der dadurch Burg und Stadt Dürnstein übergeben musste. Der Bergfried, also der höchste und stärkste Verteidigungsturm wurde durch Friedrichs Truppen zerstört.

Damit war die Vorherrschaft der Kuenringer im Herzogtum gebrochen. In der Folge wurden sie auch als "Raubritter" bezeichnet, obwohl es sich um einen politischen Aufstand gehandelt hatte.

Es war nämlich ihre Machstellung, die den Babenbergern schon lange ein Dorn im Auge war. Mit ihren modernen und starken Festungen Aggstein und Dürnstein beherrschten sie die Donauenge der Wachau und konnten den Schiffsverkehr kontrollieren. Von der Burg Weitra aus machten sie darüber hinaus ihren politischen Einfluss im gesamten Waldviertel bis weit nach Böhmen hinein geltend.

Schon seit der Gründung der Babenberger-Mark war es die Strategie der neuen Herren aus dem "Heiligen Römischen Reich" gewesen, den bodenständigen Adel zu entmachten und auch die kirchlichen Strukturen durch Berufung neuer Orden zu verändern.

Dieser Politik fielen vorerst kleinere Adelsgeschlechter wie etwa die Herren von Lengenbach zum Opfer, während man sich mit den Kuenringern aufgrund ihrer Stärke zunächst arrangieren musste, da Landesfürsten wie Leopold V. an Kreuzzügen teilnahmen, was ihre innenpolitische Position zunächst schwächte.

Der Adelsaufstand unter Führung der Kuenringer war daher eine willkommene Gelegenheit für den Herzog, durch die Niederschlagung der Revolte seinen unmittelbaren Herrschaftsbereich zu stabilisieren. Da die Kuenringer noch dazu Anhänger Ottokars II. von Böhmen waren, wurden sie nach dem Beginn der Habsburger-Herrschaft in Österreich politisch bedeutungslos.

Nach dem Aussterben der Dürnsteiner Linie 1355 fiel das damit erloschene Lehen an Herzog Albrecht II. Im Zeitalter der Refomation trat die Weitraer Linie zum evangelischen Glauben über und starb 1598 aus. Die Burg, 1645 von den Schweden zerstört, befindet sich seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Starhemberg.

Dürnstein
Stiftskirche mit original restauriertem blau- weissen Turm, Foto: Österreich Werbung / Mayer

1372 hatte allerdings die Kuenringerin Elsbeth von Wallsee-Graz in Dürnstein eine Kirche errichten lassen, aus der schon vierzig Jahre später ein Kloster entstand, wodurch die Kuenringer auch die eigentlichen Gründer des Chorherrenstiftes sind.

Das Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein (1410-1788) #

Die prachtvolle Barockkirche des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes ist ein eindrucksvolles Wahrzeichen der Wachau, die zum "Weltkulturerbe" gehört, und dient auch heute noch als Pfarrkirche. Sie wird überragt von dem in den Originalfarben blau-weiss kunstvoll restaurierten Turm, dem sich die gesamte archtektonische Konzeption unterordnet.

Stiftsgründung durch Otto von Maissau

Am 8. April 1410 trafen acht Chorherren aus dem Reformkloster Wittingau Wittingau in Böhmen in Dürnstein ein und konstituierten den Konvent. Sie wählten am 21. April den Chorherren Martin aus ihrer Mitte zum ersten Propst. Damit war dem ausdrücklichen Wunsch des Stifters entsprochen, der in der Stiftungsurkunde vom 10. Februar 1410 die Errichtung eines Augustiner-Chorherrenstiftes nach dem Vorbild der böhmischen Reformklöster Raudnitz Raudnitz und Wittingau verlangt hatte.

Dieses sollte zunächst aus acht Priestern bestehen und erst nach der Inkorporierung der Pfarre Grafenwörth Grafenwörth auf 13 Kanoniker erweitert werden.

Da die böhmischen Chorherren nach einer strengen Interpretation ("Observanz") der Regel Augustins lebten, wurden sie nach Dürnstein berufen, wodurch das neue Stift rasch zum Zentrum der Reformbewegung innerhalb des österreichischen Ordens wurde.

Schon 1414, also nur vier Jahre nach der Gründung des Klosters, wurden vier Chorherren in das neue Augustiner-Stift St. Dorothea nach Wien entsandt, um auch dort die neue "Observanz" einzuführen. Das Dürnsteiner Stift hatte somit in kürzester Zeit eine spirituelle Position erreicht, wie sie innerhalb des Benediktiner-Ordens Melk einnahm.

Die Pfarre Dürnstein wurde dem Chorherrenstift inkorporiert, was zum Streit mit dem Dürnsteiner Clarissinnen-Kloster führte, der durch Herzog Albrecht V. persönlich zugunsten der Chorherren entschieden werden musste.

Dürnstein war nämlich nach dem Aussterben der Dürnsteiner Linie der Kuenringer als erledigtes Lehen 1355 an den Herzog von Österreich zurückgefallen, unter Albrecht V. infolge seiner hohen Schulden aber an die Herren von Maissau verpfändet worden, wobei Albrecht allerdings unmittelbarer Grundherr in Dürnstein blieb.

Das neue Stift war mit einer Reihe von Privilegien ausgestattet. Die wichtigsten waren das Recht der steuerfreien Weinausschank bis etwa 11.500 Liter jährlich, was der Eigenproduktion entsprach, die Mautbefreiung, die sogenannte "Urfahr" und das "Salzprivileg".

Bei der "Urfahr" handelte es sich um das Monopol, Personen und Lasten an das gegenüberliegende Donauufer zu transportieren, das "Salzprivileg" garantierte den ermäßigten Bezug größerer Salzmengen.

Das Stift verfügte also mit seinen Besitzungen, die überwiegend aus großen Weingärten im Raum Dürnstein und Loiben bestanden, seinen Pfarren Dürnstein und Grafenwörth, zu denen später noch weitere kamen, und mehreren Kapellen über eine solide wirtschaftliche und finanzielle Basis.

Dürnstein in der Reformations- und Barockzeit#

Die Lehre Martin Luthers, später "Reformation" genannt, fand bei den Bürgern der Stadt Dürnstein großen Anklang. Sie nahmen überwiegend an evangelischen Gottesdiensten in Loiben, Stein und der Predigtstation Rossatz teil. Das Stift war von der Reformation ebenfalls betroffen, wie unter anderem die evangelischen Gottesdienste im Schloss der Pröpste zeigen. Der Personalstand sank auf etwa fünf Chorherren, die Stiftspfarre Grafenwörth wurde evangelisch und blieb es fast hundert Jahre.

Die Reformation wurde von den Chorherren zunächst keineswegs abgelehnt, stammte Luther doch selbst aus einem Orden (Augustiner-Eremiten), der nach der Regel des Kirchenlehrers Augustinus lebte. Dazu kam noch, dass Luthers Lehre wesentliche Elemente der Theologie des Augustinus enthält, wie etwa die Rechtfertigungslehre. Somit stehen die Dürnsteiner Reformchorherren aus dem böhmischen Kloster Wittingau auch am Beginn einer Entwicklung, die letztendlich zur Reformation führte.

Das Zeitalter der Reformation, des Dreißigjährigen Krieges, in dem 1645 die Burg durch die Schweden gesprengt wurde, und der Türkenabwehr, war dann für die Kuenringerstadt eine besonders schwierige Epoche. Während der "Zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683" suchte auch Kaiser Leopold I. in Dürnstein Zuflucht. Erst im Barockzeitalter konnte sich die Stadt zu neuer Blüte entfalten.

Mit der 1715 ensetzenden Barockisierung des Stiftes, an der die St. Pöltener Barockbaumeister Munggenast und Prandtauer wesentlichen Anteil hatten, erhielten die Stadt und und die gesamte Wachau ihr prachtvolles Wahrzeichen, das bis heute Scharen von Besuchern anzieht.

Das Stift selbst fiel aber nur fünfzig Jahre nach seiner aufwändigen Barockisierung - aus heutiger Sicht auch infolge seiner Position als elitäres Reformkloster völlig unverständlich - 1788 den Reformen Josephs II. zum Opfer. Es wurde mit allen seinen Pfarren, wie etwa Dürnstein, Haitzendorf Haitzendorf und Grafenwörth, so wie das Chorherrenstift St. Andrä an der Traisen dem Stift Herzogenburg inkorporiert.

Dies gehörte damit zu den eindeutigen Gewinnern der josephinischen Reformen, da es neben den Stiftsgebäuden auch die Feudalrechte der inkorporierten Pfarren lukrieren konnte. Die über 90.000 wertvolle Bände zählende Dürnsteiner Bibliothek musste allerdings an den Staat abgeliefert werden.

Die Kuenringer-Stadt hatte damit ihr geistiges Zentrum verloren, die Stadtentwicklung stagnierte seit der Auflösung des Stiftes. Bis heute konnte die Eintausend - Einwohner- Grenze nicht erreicht werden.

Die Stadt Dürnstein: Steinernes Dokument der österreichischen Geschichte #

Das mächtige Ministerialengeschlecht der Kuenringer beherrschte mit seiner Festung Dürnstein ab der Mitte des 12. Jahrhunderts den für Städte wie Krems und Wien lebenswichtigen Donauhandel. Wie die Gefangenschaft Richards I. von England zeigt, waren sie bis zum Ministerialenaufstand von 1231 mit den Babenbergern verbündet.

Nach dem Untergang der Kuenringer erlebte die Stadt durch den Reformorden der böhmischen Chorherren, die von Dürnstein aus sowohl in Wien wie auch in Rottenmann Rottenmann und Ranshofen Ranshofen wirkten, eine neue Blüte. In der Barockzeit entstanden dann mit dem Stift und seiner prächtigen Kirche jene Bauten, die die Stadt zum Wahrzeichen der Wachau machen.

Die Stadt Dürnstein, die ihren mittelalterlichen Charakter in der Bausubstanz so weit wie möglich bewahrte, ist damit ein steinernes Dokument nicht nur der österreichischen Geschichte, sondern auch jener der Kreuzzüge. Zeigt es doch sehr anschaulich, wie weit die Kreuzfahrer zu gehen bereit waren, wenn es um die Verteilung der reichen Beute ging: Nicht einmal der päpstliche Bann konnte die Gefangennahme eines königlichen Kreuzfahrers, den das die Krone Englands kosten konnte, verhindern.

Dürnstein war im Mittelalter politisches und geistliches Reform-Zentrum im Brennpunkt der österreichischen Geschichte. Als steinernes Dokument und Touristenattraktion vermittelt die "Perle der Wachau" den mehr als hunderttausend Besuchern im Jahr die österreichische Geschichte des Mittelalters und des dritten Kreuzzuges als stummer Zeuge vergangener Macht und kultureller Blüte des ehemaligen Herzogtums Österreich. Die "Kuenringerstadt" Dürnstein ist damit auch heute ein wichtiges historisches Symbol Österreichs .....

Literatur: