4. Dezember - Barbara: Auf den grünen Zweig gekommen#
© Dr. Helga Maria Wolf
Immergrüne Zweige, Bäume oder geschmückte Gestelle brachten auch
Jahrhunderte später Leben in die Stuben, wenn draußen alles unter der
Schneedecke begraben war. Nadelgehölze wie Fichte, Tanne, Kiefer,
Wacholder und sogar die giftige Eibe, auch Buchsbaum, Mistel und
Stechpalme fanden Verwendung. Dazu kamen (und kommen) Barbarazweige und
der Luzienweizen. Sie sind mit Kalenderheiligen von Anfang Dezember
verbunden.
Barbara, am 4. Dezember, steht nach dem 2. Vatikanischen Konzil als
historisch nicht gesicherte Heilige nicht mehr im römischen
Generalkalender, nur noch im Regionalkalender für das deutsche
Sprachgebiet. Die Legende erzählt von einer schönen, klugen Jungfrau aus
Nikomedien (Izmir, Türkei). Ihr Vater, Dioskuros, hielt sie in einem
Turm gefangen. Als Dioskuros erfuhr, dass Barbara Christin geworden war,
lieferte er sie im Jahr 306 der Christenverfolgung aus. Zur Strafe fand
er den Tod durch Blitzschlag. Die Tochter erhielt die Verheißung, dass
niemand, der sie als Helferin anrufe, eines unversehenen Todes (ohne
Sakramentenempfang) sterben werde. Seit dem Mittelalter erfuhr sie
besondere Wertschätzung als Patronin der Bergleute und Artilleristen.
Barbara zählt mit Margareta und Katharina zu den Virgines Capitales
("drei heilige Madln") und zu den 14 Nothelfern. Ihre Patronate sind u.
a. die der Architekten, Bauarbeiter, Bergleute, Gefangenen,
Glockengießer. Soldaten riefen sie zum Schutz gegen feindliche Geschosse
an. Bergarbeiter feiern ihren Tag mit besonderen Gottesdiensten. Bei
Tunnelbauten gibt es Barbarafeiern. Als Schutzfrau gegen Gewitter weihte
man ihr "Wetterglocken". Besondere Verehrung genoss sie durch die
Kameradschaft der Artilleristen in der Wiener Votivkirche. Sie spendeten
1903 eine 4 Meter hohe, 30,5 cm dicke Kerze, die 264 Kilo wog und 120
Jahre lang brennen sollte. Sie wurde am Barbaratag und zu den
Gedenktagen verstorbener Mitglieder entzündet, später ersetzte eine
Glühbirne die Kerzenflamme.
Eine Reihe von Bräuchen knüpft(e) sich an den 4. Dezember. Am
bekanntesten ist der, Zweige von Kirsch-, Weichsel- und anderen
Obstbäumen oder Ziersträuchern zu schneiden und daheim einzuwässern. Bis
Weihnachten erblüht, sollen sie Glück und Segen bringen. Eine erklärende
Legende will wissen, dass sich auf dem Weg zur Hinrichtung ein
Kirschzweig in Barbaras Kleid verfing, der bei ihrem Tod aufblühte. Die
mittelalterliche Legendenliteratur stellte eine Analogie zum grünenden
Stab Aarons her. Eine andere Deutung bringt das Gleichnis vom Feigenbaum
(Lk 21, 29-31) ins Spiel. Dabei sagt Jesus: ". . . Sobald ihr merkt,
dass sie Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. . ."
Martin Luther predigte zu dieser Stelle: "Die Blätter an den Bäumen
zeigen nicht den Winter an, dass es frieren, schneien und kalt
werden soll, sondern sie zeigen die fröhliche Zeit an ... So sollt auch
ihr, sagt Christus, wenn ihr diese Zeichen seht, fest der Meinung sein,
dass die Zeit eurer Erlösung da ist."
"Barbarazweige" waren ein Ernte- und Liebesorakel. Um ihre Blüte zu
garantieren, sollte man sie unter besonderen Bedingungen schneiden (vor
Sonnenaufgang oder beim Vesperläuten), oft wässern und zum Ofen stellen.
Je reicher die Blätter und Blüten am Christtag erschienen, umso üppiger
falle die Ernte aus, glaubte man. Manche versahen die Zweige mit
Namenskärtchen, um daraus das persönliche Schicksal zu ergründen. In
Wien trugen die Kärtchen Nummern. Zeigte sich eine Blüte, wurde die
entsprechende Zahl in der Lotterie gesetzt. Da man den Barbarazweigen
magische Wirkungen nachsagte, sollten sie, in die Christmette
mitgenommen, Verborgenes sichtbar machen.
Der 13. Dezember, Gedenktag der heiligen Lucia, war bis zur
Gregorianischen Kalenderreform 1582 Mittwintertag. Lucia, wahrscheinlich
ein Opfer der diokletianischen Christenverfolgung im Jahr 303,
entstammte (nach der Legende aus dem 5./6. Jahrhundert) einer vornehmen
Familie in Syracus (Italien). Schon in byzantinischer Zeit entstand über
ihrem Grab eine Kirche. Reliquien befinden sich in Rom und Metz
(Elsass-Lothringen). Darstellungen zeigen sie, zwei Augen auf einer
Schüssel tragend oder mit einer Öllampe, was auf ihren Namen "die
Lichtvolle" zurückgeführt wird. Sie ist u. a. Patronin der Bauern, Blinden, Notare
und Schneider. Lucia zählte bereits im Altertum zu den
beliebtesten Heiligen, im Mittelalter erfuhr der Kult besonderen
Aufschwung. Ihr Tag galt als Quartalsbeginn in der Verwaltung,
Schulschluss und Jahreswende. Dementsprechend zahlreich waren die
Glaubensvorstellungen. Luzienweizen sollte einen Blick in die Zukunft
ermöglichen. Am 13. Dezember in einem Teller mit Erde und Wasser ausgesät, erreicht er
bis Weihnachten Spannenhöhe. In der Mitte brennt eine Kerze. Sowohl aus
ihrem Schein, als auch aus dem Wachstum der Tellersaat, zog man Schlüsse
auf den Ertrag der Feldfrüchte des kommenden Jahres.
Als Weihnachtsgrün fanden und finden immergrüne
Bäume Verwendung, die scheinbar nicht dem Wandel von Werden und Sterben
unterliegen. Nicht nur zur Weihnachtszeit spielen geschmückte
Tannenbäume eine Rolle, sondern auch als "Mayen", "Hüterbaum",
"Kirtagbaum" oder "Firstbaum" bei der "Dachgleiche". Das Lehnwort
"Mayen" bezeichnete außer dem Maibaum alle frischen oder immergrünen
Festzweige. "Niemant soll wynacht mayen hauen by daruff gesetzter
strafe", heißt es im 16. Jahrhundert in einem Verbot aus dem Elsass.
In weiten Teilen Europas befestigte man im Winter über der Haustür, im
Stall und in den Wohnräumen grünes Reisig: "Und wer nit etwas nuwes hat
/ und umb des nuw ior singen gat / und gryen tann risz steckt jn syn
husz / der meynt, er leb das jor nit usz", reimte Sebastian Brant 1494
in seinem "Narrenschiff". In der Steiermark und im Burgenland waren noch
Mitte des 20. Jahrhundert hängende Christbäume bekannt, die man am
Balken an der Stubendecke mit dem Wipfel nach oben oder nach unten
befestigte und mit Papierketten schmückte. Viele Details ähneln sich
beim Gebrauch des Weihnachtsgrüns an unterschiedlichen Orten und Zeiten,
Christbaum-Vorläufer und kontinuierliche Entwicklungsreihen lassen sich
daraus aber nicht ableiten.
"Boschen" steckten die Landwirte auf den Zaun, in den Hof, zum Stall,
auf den Brunnen oder Misthaufen und putzten damit die Kamine. 1729
verbot eine Salzburger Waldordnung "die dermaßen gebräuchig gewest
schädlich und unwaidmännische Verhack- und Bringung der sogenannten
Bächl- oder Weyhnachtsboschen". Das Verbot bewirkte wenig und musste
1755 unter verstärkter Strafandrohung wiederholt werden. Außerdem rügte
die Obrigkeit den "aberglaubigen Gebrauch" der Nadelbäume. Im
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens findet sich bei allen
verwendeten winterharten Pflanzen (Fichte, Tanne, Kiefer, Wacholder) der
Hinweis, dass die spitzen, grünen Nadeln zur Abwehr von Unheil, Blitzen,
Dämonen, Hexen und Gespenstern dienen.
1419 schmückte die Freiburger Bruderschaft der Bäckerknechte im
Heilig-Geist-Spital einen Baum mit Äpfeln, Birnen, Oblaten, Lebkuchen,
Flittergold, Nüssen und Papierzierat. Zu Neujahr schüttelte ihn der
Altgeselle und die Armen erhielten die Lebensmittel. Im 16. Jahrhundert
mehrten sich in den Städten Zeugnisse solcher Bäume als Rechnungen für
Äpfel, Hostien, buntes Papier und Fäden zum Schmuck der Bäume für
Weihnachtsfeiern in den Zunftstuben. Eine Verordnung aus Ammerschweier
im Elsass verbietet 1561, Weihnachtsbäume zu schlagen, die mehr als
2,50 m hoch sind. Viel zitiert ist ein Bericht über die 1604 in Straßburg mit
Obst, bunten Papierrosen und Zischgold behängte Tanne.
Mehr als eine Generation später kritisierte dort der Geistliche Johann
Konrad Dannhauer: "Unter anderen Lappalien, damit man die frohe
Weihnachtszeit oft mehr als mit Gotteswort begeht, ist auch der
Weihnachtsbaum oder Tannenbaum, den man zu Hause aufrichtet, denselben
mit Puppen und Zucker behängt und ihn hernach schütteln und abblümeln
läßt. . ." In nachreformatorischer Zeit lehnten katholische wie
evangelische Pfarrer den Weihnachtsbaumbrauch ab, letztere offenbar
weniger. Der Protestantismus wurde sogar spöttisch als
"Tannenbaumreligion" bezeichnet. So zählten deutsche Bürgerfamilien und
Adelige, die zur Kongresszeit 1815 nach Wien kamen, zu den Innovatoren
des "Christkindbaum- und Christkindbrauchs". Besonders bekannt in diesem
Zusammenhang ist Prinzessin Henriette von Nassau-Weilburg, die Gattin
Erzherzog Carls, in deren Stadtpalais 1816 einer der ersten
Weihnachtsbäume stand.
1814 wurde das erste "Christbaumfest nach Berliner Sitte" in Wien
aktenkundig. Der geschmückte Baum befand sich in der Familie des
Bankiers Nathan Adam Arnstein und seiner aus Berlin stammenden Frau
Franziska. Fanny Arnsteins großbürgerlich-liberaler Salon
bildete einen Mittelpunkt des
Kultur- und Gesellschaftslebens. Ein Geheimpolizist, der sich unter den
Gästen befand, berichtete am 26. Dezember 1814 über den "brennenden
Weihnachtsbaum": "Bei Arnsteins war vorgestern nach Berliner Sitte ein
sehr zahlreiches Weihbaum- oder Christbaumfest. Es waren dort alle
getauften und beschnittenen Anverwandten des Hauses. Alle gebetenen,
eingeladen Personen erhielten Geschenke oder Souvenirs vom Christbaum."
Im folgenden Sommer (1. August 1815) verbot die niederösterreichische Regierung "das Abstämmeln und Ausgraben der Bäume zum Behuf der Frohnleichnams-Prozessionen, Kirchenfeste, Weihnachtsbäume und dergleichen" und drohte mit der "Konfiskazion der Weihnachtsbäume an den Linien Wiens". Am Linienwall, der Zollgrenze zwischen den dörflichen Vororten und den Vorstädten bzw. der Stadt, wurde u. a. die Verzehrungssteuer eingehoben. Dass diese Verordnung die Einfuhr von Christbäumen verhindern sollte, lässt auf deren größere Verbreitung schließen. Denn so ganz neu war das Christbaumfest nicht, es wurde nur nicht zu Weihnachten, sondern zum Nikolaustag begangen. Eine Zeit lang bestanden beide Bescherungstermine nebeneinander. Die Nikolausbäumchen wurden 1782 beschrieben als "grüner Baum mit brennenden Kerzchen bestekket, auf welchem erwelche Pfunde candirtes Zuckerbacht ebenso glänzen wie der vom Reife candirte Kirschenbaum zur Winterszeit schimmert".
Seit 1829 war der Diplomat Friedrich Gentz in seinen Kreisen einer der
wichtigsten Propagandisten des neuen Brauchs. Er platzierte den
Christbaum in seiner Weinhauser Sommervilla, lud dazu u. a. den Dichter
Franz Grillparzer ein und besuchte mit seinen Gästen den preußischen
Gesandten. 1836 meldete die "Theaterzeitung", dass die öffentlichen
Plätze Wiens aussahen wie ein "Park, von immergrünem Nadelholz gebildet,
welches zum Verkauf in
Alleen und Gruppen zusammengetragen wurde." Im selben Jahr sah die
englische Reisende Frances Trollope an jeder Straßenecke Frauen um
Christbäume feilschen, "die mit buntem Papier herausgeputzt sind. Diese
Bäume... stets Sprossenfichten ... werden in jeder Größe und für jeden
Preis fast von jeder Familie in Wien, die noch junge Leute hat,
gekauft." 1851 hieß es: "Auf dem Hof sieht es aus wie im Prater, Baum
an Baum... und in Mariahilf hat der Weihnachtsmarkt an Bäumen einen
solchen Vorrat, daß man meint, ein zweites Wien müßte hier für seine
Kinder kaufen." Zwischen 1830 und
1850 hielt der Weihnachtsbaum Einzug in die bürgerliche Mittelschicht,
das bedeutete aber keineswegs, dass ihn sich "alle" leisten konnten.
Was hierzulande das Tannenreisig ist, das waren in England Mistel
(Viscum album) und Stechpalme (Ilex aquifolium). Hierzulande setzte ihre
Popularität um die Jahrhundertwende ein. Im Jugendstil zählte die Mistel
zu den verbreitetsten Motiven der angewandten Kunst. "Die Mistel als
Weihnachtsschmuck, wie sie in den letzten Jahrzehnten
in deutschen Städten aufkam, ist lediglich eine Nachahmung des
englischen Brauches, also mehr eine Modesache als ein Volksbrauch",
liest man im 1935 erschienenen Handwörterbuch des deutschen
Aberglaubens. Im Rheinland pflegte man sich in der Weihnachtszeit unter
einem Mistelzweig zu versöhnen. Man brachte Misteln als Freundschafts-
und Friedenszeichen zu den Nachbarn. Der römische Historiker Plinius
schrieb im Jahr 77 n. Chr. über Kelten-Kulte mit der Eichenmistel: "Die
Druiden... halten nichts für heiliger als Mistel und den Baum, auf dem
sie wächst, wenn es eine Steineiche ist. ... Denn alles, was daraus
hervorwächst, halten sie für vom Himmel gesandt und für ein Zeichen,
dass der Baum von Gott selbst erwählt worden sei. Die Mistel ist jedoch
ziemlich selten zu finden, und wenn sie gefunden wird, so wird sie mit
großer Feierlichkeit geerntet. ... Sie nennen sie in ihrer Sprache
,Allheilmittel' ... Sie glauben, dass durch Mistelabsud jegliches
unfruchtbare Tier fruchtbar werde und dass er ein Gegengift
gegen alle Gifte sei."
Die Stechpalme ist in Westeuropa heimisch. Wie allen stacheligen Pflanzen sagte man ihr nach, Hexen und Dämonen abzuwehren (daher ihr Dialektname "Schrattl"). In den Alpenländern war sie Bestandteil des "Palmbuschens". Christlich interpretiert erinnern die stacheligen Blätter an die Dornenkrone und die roten Beeren an die Blutstropfen der Passion. Allgemein erfreuen sich die glänzenden, immergrünen Blätter und die roten Beeren zunehmender Beliebtheit als weihnachtliche Dekoration.
Die "Rose von Jericho" (Segalinella lepidophylla) wächst in Jordanien,
Ägypten, Arabien und Palästina. Von dort brachten Pilger und Händler
schon im Mittelalter die wie eine verdorrte Knolle aussehende Wunder-
und Orakelpflanze nach Europa. Sie galt als Symbol der Auferstehung und
wurde je nach Kulturkreis "Hand Marias" oder "Hand Fatimas" genannt. Man
staunt über das "Aufblühen", wenn sich das Wüstengewächs unter dem
Einfluss von Wasser öffnet und grün wird. Aus der Art, wie das
geschieht, wurden seit altersher Schlüsse auf Wetter und Ernte gezogen.
Der dekorative Weihnachtsstern (Poinsettia) gehört zur Familie der
Wolfsmilchgewächse. In seinen Herkunftsländern Mexiko und Mittelamerika
wird der Strauch bis zu vier Meter hoch. Seit 1828 in den USA
kultiviert, erreichte er bald Europa. Die Pflanze
blüht im Winter, die leuchtenden Sterne halten mehrere Monate.
Inzwischen sind zu den natürlichen roten Sorten solche mit rosa,
violetten, gelben und weißen Hochblättern gekommen. Als Zimmerpflanzen
kommen sie mit Blüten verschiedener Größen vor Weihnachten in enormer
Anzahl in den Handel.
Eine bekannte und beliebte Zimmerpflanze ist der Weihnachtskaktus.
Ursprünglich wuchs er epiphytisch in den brasilianischen Regenwäldern.
In Europa bieten Floristen rot und rosa blühende Hybridformen an. Mit
einem "grünen Daumen" und etwas Glück bringt man den Weihnachtskaktus zu
Ostern zu einer zweiten Blüte.