Der König und die Königin#
von Peter DiemIn seiner symbolischen Bedeutung nur wenig vom Kaiser (König der Könige) unterschieden, stellt der König das maximal Erreichbare in der zeitlichen Welt dar. Er ist das Prinzip der Macht, ist Repräsentant Gottes in der Welt und Vermittler zwischen Gott und den Menschen (Gottesgnadentum!). In seinem Wohlergehen spiegelt sich das Wohlergehen seines Volkes; darum wohl auch die Neidlosigkeit, mit welcher königliche Prunkentfaltung in der gesamten Geschichte - und bis auf den heutigen Tag gerade auch in westlichen Demokratien - hingenommen wird. In frühen Kulturstufen musste der König immer in der vollen Manneskraft stehen, obwohl er nicht prinzipiell in die Schlacht vorauszureiten hatte. Dennoch war bei Verfallserscheinungen die Selbstopferung Pflicht. Dem König steht die Königin zur Seite. Zusammen bilden beide ein Dualsystem, ein Symbol perfekter Einheit: sie verkörpern Himmel und Erde, Sonne und Mond, Tag und Nacht, Gold und Silber. So auch in der alchimistischen Symbolik: nach der dualen Lehre von Sulphur (Gold) und Mercurius (Quecksilber) wird ein Läuterungsprozess durchschritten, an dessen Ende als gekrönter Androgyn der „Stein der Weisen" steht. Für C. G. Jung ist der „alte König" daher auch weniger Vatersymbol als Archetyp höherer Einsicht und Weisheit. Im Volksmärchen kann jeder, auch der einfache Bursch aus dem Volk, König werden, wenn er nur seinen schwierigen Weg konsequent geht und seine Anlagen optimal entfaltet.
Die Königin tritt nur in der Märchensymbolik als eigenständig gestaltende Herrscherin, z. B. als Feenkönigin, auf - ein Hinweis auf die durchgängig patriarchalische Auffassung von „Herrschaft" (der Wortstamm allein spricht Bände!), die nur gelegentliche „Ausritte" in die Autonomie erlaubt (vgl. das Schicksal Elisabeths von Österreich). Ganz anders ist freilich die Lage im Falle der persönlichen Thronbesteigung: man müsste hier lange Abhandlungen über Maria Theresia sowie über die britischen und holländischen Königinnen schreiben.
Die Attribute des Königs sind von alters her neben der Sonne: Krone, Zepter, Schwert, Reichsapfel und Thron. Von besonderer Bedeutung ist die Krönung des Königs, aus der früher zum Teil auch übernatürliche Kräfte, wie zum Beispiel die Fähigkeit zur Krankenheilung, abgeleitet wurden. Ihr Symbolgehalt ist sehr hoch, gesteigert durch die Mitwirkung der Kirche, die gewissermaßen die Heiligkeit des Herrschers bestätigte. Die Krone überhöht das Haupt ihres Trägers, hebt diesen über die einfachen Menschen hinaus und signalisiert eine Verbindung mit einer höheren Welt. Schon für die Ägypter war die Krone das Auge des Sonnengottes. Das kostbare Material der Krone, der Reif und die Zacken weisen auf die Sonne und ihre Strahlen hin. Dem Papst wurde eine dreifache Krone (Tiara), Gottvater eine fünffache Krone zugemessen. Die heutige Form der Krone entwickelte sich aus dem antiken Kranz (lat. Corona), dem Sinnbild der Lebenskraft. Durch Überspannung mit einem Bügel entstand aus der Blätterkrone die moderne Kronenform (Näheres im Beitrag über die österreichische Kaiserkrone). Während sowohl Ungarn wie auch Böhmen die Königskrone erlangten, blieb dies trotz intensiver Bemühungen den österreichischen Herrschern verwehrt.
Hier konnte selbstverständlich nicht die gesamte antike (bis auf Altägypten zurückgehende), mittelalterliche und neuzeitliche Kaiser-/Königsmystik behandelt werden; es sollen aber doch auch kursorisch die Symbole des traditionellen Kaisertums/Königtums vorgestellt werden, um eine Basis für das psychologische Verständnis der zahlreichen nostalgischen Erscheinungen zu schaffen, die heute - wie gestern - die österreichische Szene beherrschen. Die Sehnsucht nach einem „Ersatzkaiser" - in Form eines weisen, gerechten und gütigen Bundespräsidenten - schlägt sich ja im Grunde sogar in der verfassungsrechtlichen Stellung des Staatsoberhauptes und dessen Amtspraxis nieder.
Nach Manfried Welan, dem Spezialisten für alle Fragen der Stellung des Bundespräsidenten, sollte man diese Funktionen zwar nicht überschätzen, sie zur Gänze wegdiskutieren zu wollen wäre aber verfehlt
Manfried Welan, Das österreichische Staatsoberhaupt. Wien 1986
ders., Der Bundespräsident. Kein Kaiser in der Republik. Wien 1992.