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Lieder, meist absichtslos aufbewahrt worden, fast durchwegs auf immer verstummt, ehe sie
sich als künstlerisches Ganzes, als naives Epos gestalten konnten. Dies gilt insbesondere
von den Sagenbrnchstücken aus der Zeit der Herzoge und ersten Könige; die erhaltenen
Sagen über Attila hingegen erscheinen mehr als überlebende Theile eines großartigen
Gebildes, welche die Ungarn auf verschiedene Art überkommen haben können. Nach den
bisherigen Forschungen muß es als zweifellos gelten, daß bei den erhaltenen Sagen über
Attila auch die magyarische Phantasie mitgewirkt hat, wie dies schon die Csaba-Sage
(siehe Baud I., Seite 318) beweist. Obgleich die Sprach- und Geschichtswissenschaft in
neuerer Zeit die hunnisch-magyarische Verwandtschaft leugnen, haben doch die Vorfahren
der Ungarn in Attila und seinen welterobernden Kriegen die Vertreter ihrer eigenen
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Das Königsberger Fragment (XIV. Jahrhundert).
Interessen gesehen und — laut den Sagen — bei ihrer Einwanderung gerade darauf
gestützt dieses Land gefordert.
Die ungarischen Chronisten aber, wie der Notar Mlas, Kezai, Turöczy, hielten
nicht nur die Überlieferung von der hunnisch-magyarischen Verwandtschaft aufrecht,
sondern bewahrten auch, obgleich unbewußt, die Sagen der ihnen näher liegenden Zeiten,
die über Emese, Älmos, Ärpad, das weiße Roß, die verschiedenen Heldenthaten der
sieben Herzoge n. s. w., wie sie im Volksmunde lebten. Diese Sagen verblaßten seit dem
XIII. Jahrhundert immer mehr, obgleich die Classe der Heldensänger und Lautenspieler
(ke^eZös, i^ric?, re»üs), die noch unter Andreas III. vom Staate ein Einkommen bezieht,
bis zum XVI., ja XVII. Jahrhundert bestand. Man ließ die Fäden der uralten Sagen nach
und nach verflattern, als neuere Ereignisse, wie der Tatareneinfall, der italienische Feldzug,
dann die Türkenkriege näherliegenden und damals wohl interessanteren Stoff für das
Singen und Sagen boten. Die Heldensänger wurden zu ehrenfesten Chronisten und hielten
die Schöpfungen der Volksphantasie nicht mehr für würdig, aufgezeichnet zu werden.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch