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46 Maria.
und einzig nur das Heil der Menschen suchte, von vielen verkannt,
gelästert, und insbesondere von den Vornehmsten aus der jüdische»
Nation auf's bitterste gehaßt und verfolgt wurde. Während der letz:
ten Leiden und des Todes Jesu war Maria in Jerusalem, und wer
mag da den Schmerz beschreiben, der ihr Herz, wie ein zweischnei:
diges Schwert, nach der Weissagung des alten Simeon, durchbohrte,
als sie sehen mußte, ihren geliebten Sohn, gleich einem Verbrecher,
gefangen nehmen, von Richter zu Richter unter wildem Mordgcschrci
umherschleppen, auf die grausamste Weise gciscln, zum Tode ver-
urtheilen, unter dem schmählichen Kreuzblocke zur Richtstätte hinaus
führen, und dort unter den namenlosesten Schmerzen in der Mitte
zweier Verbrecher, gleichsam als wäre er der größte Verbrecher, dcn
schimpflichsten Tod sterben. — Jeder Hinblick auf den unschuldig
Leidenden war gleichsam ein neuer Stich in die tief bekümmerte Seele.
Sie durfte sich nicht einmal zu erkennen geben, um nicht noch grö-
ßeren Leiden, Beschimpfungen und Mißhandlungen Preis gegeben zu
werden. —- Sehr rührend redet der heilige Augustin in seinen Be-
trachtungen die göttliche Schmerzenmutter an: „Meine barmherzige
Gebiethcrin! Welche Zähren mögen sich über dein frommes Antlitz
ergossen haben, als du schautest, wie dieser dein Sohn, dein Gott
und Herr ohne Schuld am Kreuze ausgespannt, und das Fleisch von
deinem Fleische grausam mißhandelt wurde! Welches Schluchzen mag
deine reine Brust erschüttert haben, als du es vernahmst: »Weib,
sieh da deinen Sohn;" und zum Jünger: »Sieh da deine Mutter;«-
indeß du den Jünger für den Meister, den Knecht für den Herrn
annähmest." Bei allen, auch den schwersten Leiden blieb die beküm-
merte Mutter indessen immer die ergebene Magd des Herrn, anbe-
thend jede Fügung der göttlichen Weisheit. In unaussprechlichen
Jubel ward die Seele der traurendcn Maria versetzt, als sie am
Sonntage Morgens die Nachricht hörte: „Er, der einzig Geliebte,
ist aus dem Grabe wieder auferstanden." Ihr Herz ward von der
zärtlichsten Freude gleichsam überschüttet, als sie den Neulebendigen
mit eigenen Augen wieder selbst sah.
Nach dem Tode und nach der Auferstehung Jesu blieb Maria
in der Gesellschaft der Apostel zu Jerusalem. Sie hielt sich vorzüg-
lich an den Liebcsjüngcr Johannes, dem sie Jesus empfohlen hatte,
und der für ihren Unterhalt sorgte. Sie war, wie uns mehrere
Kirchenväter bezeugen, bei den Aposteln auf dem Oelberge zugegen,
als Jesus gen Himmel fuhr, und zu Jerusalem am Pfingstfeste, als
der heilige Geist über die Apostel ausgegossen wurde, wovon uns
die Apostelgeschichte versichert. — Alö nach dem gewaltsamen Tode
des heiligen Stephanus eine große Verfolgung der Christen entstan-
den war, verließ auch Maria die Stadt Jerusalem, zog später mit
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen