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2 EinfĂĽhrung
DeraristokratischeHabitus,denAlexanderLernet-HoleniaalsPerson,
erst recht aber als Dichter pflegt, entfremdet ihn von Vornherein dem
„Volk“, dem sein Antipode Benn sich anschließen will – eine elitäre
Position, die nicht wenige noch während der Monarchie sozialisierte
Künstler und Intellektuelle pflegten und die nicht selten den Nährboden
fĂĽreinantimodern-antidemokratischesWeltbildhergab.51
Spätestensum1934,1935machensichdiepolitischenEntwicklungen
imDeutschenReichauch inLernetsFreundes-undBekanntenkreisbe-
merkbar: So mancher ahnt bereits, dass nur die Emigration dauerhaften
Schutz vor Ăśbergriffen bieten kann und setzt entsprechende Schritte,
darunter auch Lernet-Holenias Gefährtin Lily Sporer, die nach New York
auswandert.52 Rocˇek kolportiert eine Aussage Annie Lifczis’, nach der
Lernet-Holenia ebenfalls mit dem Gedanken gespielt habe, das Land
zu verlassen: „Und noch seine Kreuzfahrt in die Karibik, auf welcher er
einigeFamilienbegleitet,die inĂśberseeabspringenundnichtmehrnach
EuropazurĂĽckkehren, ist als allerletzterAnlaufgeplant,GroĂźdeutsch-
landdenRückenzukehren.“53
Als schließlichdieVolksabstimmungüberdieUnabhängigkeitÖster-
reichs scheitert und Kurt Schuschnigg, der Kanzler des faschistischen
Ständestaats,am11.März1938zurücktritt, istLernet-HoleniabeiFreun-
den,denendieEmigrationbevorsteht:
51 „DerNationalsozialismus“, soHübel, „wirdbei Lernet-Holeniahäufigmitwirtschaft-
lichem Aufschwung, mit einer Intensivierung des Profitdenkens, mit der Zerstörung
traditioneller LebensformenunddemZerbröckelnvonRang-undStatusunterschieden
verbunden“ (Hübel:VonderMongolisierungzurModernisierung,S.234).Eskapismus
und Antimodernismus (und Schlimmeres) sieht Michael Pein auch in Lernets häufig
als Ausweis seiner Opposition zum Nationalsozialismus ins Feld gefĂĽhrtem Gedicht
Germanien (1946)amWerk(Pein: „Germanien“nachAuschwitz, passim).
52 ZuLilySporer sieheRocˇek: DieneunLeben, passim.
53 Ebd., S.204f. Lernet-Holenias langjährige Freundin Annie Lifczis (1902–1987) und
ihrMann,derRechtsanwaltHugoLifczis (1895?–1970), verlassenÖsterreich imJuli
1938 (ebd., S.205). Sie ändern in der Emigration (zuerst in die Schweiz, dann nach
Argentinien) aus GrĂĽnden der leichteren Aussprechbarkeit ihren Namen zu Lifezis.
Annie Lifczis ĂĽbersetzte zahlreiche Werke Lernet-Holenias (El estandarte, 1968; El conde
deSaint-Germain, 1973u.a.)undLeoPerutz’ insSpanische. „[D]erenaußerordentliches
Ansehen in Lateinamerika [geht]auf A.L.sMittlertätigkeit zurück [...]“ (Siglinde Bol-
becher/Konstantin Kaiser: Lexikon der österreichischen Exilliteratur [in Zusammenarbeit
mitEvelynAdunka,NinaJakl,UlrikeOedl].Wien–München:Deuticke2000,S.445f.).
Annie Lifczis kehrte 1973 nach Österreich zurück und erhielt 1980 wieder die öster-
reichische Staatsbürgerschaft. Zu Annie Lifczis siehe auch Roman Rocˇek: Mittlerin
zwischen den Welten – Anna Lifezis (Lifczis). In: Mit der Ziehharmonika. Zeitschrift der
Theodor-Kramer-Gesellschaft [seit 2000:Zwischenwelt],Mai1996,S.12–17.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik