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2 Einführung
Zu allen Schwierigkeiten – fast – kann ich sagen: Das ist in sich
begründetundgut so.DieEreignisse treibenan,machen[/]groß-
zügiger und mein Unglück macht, daß ich keine Angst habe. Ich
fühlemichetwawieeinArzt, der seiderKrankheit seinesKindes
mit gespanntemforscherischen Interesse folgt. (S.85f.)
Abgesehen vom therapeutischen Effekt erhofft sich die literarisch ver-
sierte, mitunter als Übersetzerin83 arbeitende Lotte auch Einblicke in
dieWerkstattdesDichters,84 ist sich jedochdesklassischenDilemmas
dieserKonstellation sehrwohlbewusst:
Wollen Sie mich nicht ein wenig teilhaben lassen an Ihrer Arbeit? –
Ich traue mir genug Einfühlungsvermögen zu, mich nicht gerade
dort mit Meinung bemerkbar zu machen, wo es nicht sein soll und
erwartewirklichenGenußvomMiterlebendürfen.[...]–Undnoch
einmal,bittemißverstehenSiemichnicht:Es liegtmirnichts ferner,
als einen ,Dichter‘ anzuhimmeln, auch Sie nicht. Dazu brauchte
ich ja nur Ihre bereits erschienenen Bücher zu lesen. Ich las vor
einem halben Jahr eines, daß [sic!] mich nur an einigen Stellen
erfreut hat,wo ich dasGefühl hatte, das ist jetzt ganzecht. [...]
Es bedeutet mir so viel, Ihnen schreiben zu können, wenn ich auch
fürchteSie zwarnicht zumißbrauchen,wohlaber zugebrauchen
und wenn ich mir auch klar darüber bin, daß ich dessen nicht
bedürfen sollte.85
Lotte Swecenys Bedürfnis, die Entstehung der Werke Lernet-Holenias
mitzuverfolgen, wird in Lernets Briefen immer wieder befriedigt wer-
den, teils auf recht oberflächliche, für die Werkgenese aber immerhin
aufschlussreiche Art, teils, indem Lernet-Holenia seine Arbeit an sie
schreibend reflektiert. Gegen Ende ihrer Beziehung hat sie Anteil an der
ArbeitandenTrophae, indemsieausden ihrausBerlinundSt.Wolfgang
zugesandteneinzelnenGedichtendasManuskript erstellt.
83 AufeinigenaufLotteSwecenysNamenausgestelltenRechnungen imSteinFAscheint
dieseBerufsbezeichnungauf.
84 Vgl. hierzuauchZott: FragennacheinerBrieftheorie, S.52f.
85 MariaCharlotteSweceny:BriefkonzeptanLernet-Holenia.5. (?) Juli 1938(SteinFA).
In einem weiteren Konzept aus dem September 1938 schreibt sie die bemerkenswerten
Worte: „Ich wundere mich eigentlich, daß ich von Ihnen so selbstverständlich ange-
nommen habe, daß Sie nur wertvolle Bücher schreiben wollen. Ich glaube, das war ein
Fehler,weißabernichtobSiedie spezielleFähigkeithabeneinengeschicktenMist zu
schreiben[...].“
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik