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2.2 Bedeutung fürBiografieundWerk
NewYork,womanam14.Februar1939einläuft,wirdLernet-Holenia
noch von seiner „langjährige[n] Freundin“ Lily Sporer erwartet.99 Es
wärenicht untypisch fürLernet-Holenia,mehrere Beziehungenzur sel-
ben Zeit geführt zu haben; wahrscheinlicher ist jedoch, dass er sich
nachseinemNew-York-Aufenthalt vonderverarmtenEmigrantinLilyab-
undLotteSwecenyendgültig zuwandte.Vielleichtnimmtdie (intime)
BeziehungzwischenLotteSwecenyundLernet-Holeniaaberaucherst
imFrühjahr1939–alsonachderReise– ihrenAuftakt.100
Zurück in der „Ostmark“ verlängern die beiden in Wien ihre Zweisam-
keit offenbar bis in den April hinein, denn erst dann setzen die Briefe
wieder ein (mit Brief Nr.14). Den Frühsommer 1939 verbringt Lotte
Sweceny zumindest teilweise in St.Wolfgang; Ende Juli ist sie wieder
in Wien. Am 23. Juli schreibt ihr Lernet-Holenia aus St.Wolfgang, er
arbeiteamviertenKapitel einesRomansmitdemTitelDerDoppelgänger
–hierbeihandeltes sichwohlumeine früheFassungdesviertenKapitels
vonBeideSizilien, das inderEndfassungnachseinemProtagonisten„Ro-
chonville“ benannt seinwird. In der Literatur zuLernet-Holenia wurde
bisher davon ausgegangen, dass Lernet-Holenia – mit Ausnahme des
früher entstandenen Kapitels „Silverstolpe“ – erst nach Mars im Widder,
alsoabdemFrühjahr1940, anBeideSiziliengearbeitethabe.101
Lernet ist unruhig und traurig und bedauert Lotte Swecenys als zu
frühempfundeneAbreise; jenewiederumhateineBulgarien-Reisevor-
zubereiten, auf die sie sich um den 20. August herum – in Gesellschaft –
begibt. Ihr Brief an Lernet-Holenia vom 20. August 1939 lässt vermuten,
dassdiebeidennoch inWienvoneinanderAbschiednehmenkonnten,
bevor dann die junge Beziehung in die Mühlen der Weltpolitik gerät:
Am22.August verkündetHitlerdenOberbefehlshabern seineAbsicht,
Polen anzugreifen, Codewort „Fall Weiß“. Das geheime Zusatzprotokoll
des Hitler-Stalin-Pakts vom 23. August teilt Polen und das Baltikum zwi-
schendemDeutschenReichundderSowjetunionauf;mit simulierten
99 Rocˇek:DieneunLeben, S.222.
100 Für diese Annahme sprechen der Brief Nr.14 vom April 1939, welcher der erste im
SteinFAüberlieferte ist, indemdiebeidensichduzen, sowiederBriefNr.131vom14.
Juni1942, indemLernet-Holeniaaufdrei Jahrezurückblickt, derenschöneSeitener
Lotte Sweceny verdanke. Rocˇek hingegen ist – einmal mehr, ohne seine Aussage zu
belegen – der Ansicht, Lotte sei bereits 1936 „Freundin Lernet-Holenias“ gewesen (ebd.,
S.164FN5).
101 UnterdemTitelDerDoppelgängererschienzwischenOktober1940undAugust1941
ein Vorabdruck von Beide Sizilien in der Wehrmacht (vgl. S.236, Anm. zu das 4te Kapitel
des ,Doppelgängers‘).
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik