Seite - 37 - in Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny - Briefe 1938-1945
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2.2 Bedeutung fürBiografieundWerk
es glänzte wie ein Strahl aus Quecksilber. Es traf ihn, durch den
Handschuh, in die rechte Hand. Er fühlte es wie einen Stockschlag,
und es ward ihm einen Moment lang schwarz vor Augen. Er zog
denHandschuhaus,dieVerletzungbluteteheftig.Erwar imgan-
zenvorigenKriegnicht verwundetworden,nun lageranderthalb
Minuten imGefechtundwar schongetroffen.105
Lernets Regiment dringt weiter vor und stößt kaum jemals auf nennens-
wertenWiderstand.DieweiterenGefechtsstationen:4.9. Lubien´; 6.9.
Wroblowice; 7.9. Tarnów; 6.9.–10.9. Łan´cut; 10.9. Zamos´c´; 15.–16.9.
Ustilug.106 AlsLernet-Holenia schließlichdazukommt,derausBulga-
rien zurückgekehrten Lotte Sweceny zu schreiben, ist bereits der 14.
September;dasRegimenthält im,wieer schreibt, „lieblichen“Tarnów
(S.101). Mit Worten wie diesen romantisiert Lernet den Krieg als pit-
toreskes Abenteuer, das ihm überdies schon ein „bißchen langweilig“
(S.103), jabald sogar „ödeundstinkfad“ (S.106)wird.107 Freilichkann
derSchreiber sichmit solchenEuphemismenLotteSweceny–und ihrem
MannOtto,andeneinigederBriefeebenfallsgerichtet sind–gegenüber
mit chevalereskem Understatement als furchtloser Offizier profilieren108
undgleichzeitigdieSorgenderZurückgebliebenenzerstreuen.109
105 Alexander Lernet-Holenia: Mars im Widder. Roman. Wien: Paul Zsolnay Verlag 1997,
S.154.DassLernet-HoleniaTagebuch führenundBriefe schreibenkonnte, spricht für
eine wirklich leichte Verwundung. Dem Schriftbild der Briefe ist sie jedenfalls nicht
anzumerken. Rund drei Wochen nach der Verwundung schreibt er: „Meine Hand ist
schonviel besser. Ihr seht, ichkannschonordentlich schreiben“ (S.103).
106 Vgl.Abb. 17.
107 Einen schalen Beigeschmack haben diese Äußerungen heute vor dem Hintergrund der
Tatsache, dass die Nationalsozialisten unmittelbar nach dem Überfall auf Polen mit
ihrem Mordprogamm begannen, etwa mit den Massenerschießungen bei Pias´nica (vgl.
zuletzt Thomas Grasberger: Der Totenwald. In: Die Zeit, 20. Jan. 2011, S.18) oder den
MassakernvonCiepielówundPrzemys´l. BisEnde1939wurdenunterBeteiligungder
Wehrmacht ca. 60.000 polnische Staatsbürger und ca. 7.000 Juden ermordet. Über eine
TeilnahmevonLernets10.Kavallerie-Schützen-RegimentanVerbrechendieserArt ist
nichtsbekannt.
108 „[...] Lernet-Holenia war zeitlebens stolz auf seinen Dragoneroffizierrang (verwendete
immerwiederAngehörigedieserWaffengattungoderzumindestAnspielungenaufdiese
in seinenWerken) [...]“ (Han: Studien zueinerMonographie, S.187).
109 InBriefNr.27findet sichdanneinederwenigenStellendesgesamtenBriefwechsels,
in dem Lernet-Holenia sein emotionales Visier gegenüber Lotte Sweceny ein wenig
öffnet: „Ich habe so viel an Dich gedacht, dass es mir nicht ganz leicht war, im Feld
zu sein. (Dennwennman imFeld ist, sollmananniemandendenkenmüssen.)Eshat
mich der Gedanke gequält, dass ich Dich vielleicht nicht wiedersehen würde. Es ist mir
aber alles auf der Welt daran gelegen gewesen, Dich wiederzusehen“ (S.105). Lotte
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik