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2.2 Bedeutung fĂŒrBiografieundWerk
MĂ€chte wirken, sondern das vom Walten des Schicksals111 durchwoben
ist,darinâdasUnsichtbareindasSichtbareeingreiftâ,wieLernet-Holenia
einmal an Lotte Sweceny schreibt (S.121).112 Wie eng verbunden diese
ZwischenzeitmitdeminLernetsWerkhĂ€ufiganzutreffendenâZwischen-
reichâ zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Leben und Tod113
ist, wird besonders in Brief Nr.34 deutlich, wo Lernet schreibt: âLebt
rechtwohl, und ich sendeEuch,ĂŒberdieFerneunddieseEbenenaus
Sand,ausdenendieTotenvoneinstnoch immernichtabgelöst sind,die
schönstenundbestenGedankenâ (S.113).114
Die InkompatibilitÀt dieses Welt- und Geschichtsbildes mit der ag-
gressiv evolutionistischen Mission des NS-Regimes ist evident und wird
unter anderem auch dazu gefĂŒhrt haben, dass Mars im Widder letztlich
nicht ausgeliefertwurde (sieheKap.2.2.4).
BegrĂŒndet liegt die âdetached alienationâ115 Wallmodens in einer
ErfahrungseinesSchöpfers:
111 Zu Lernets Schicksalsbegriff in Mars im Widder vgl. u.a. MĂŒller-Widmer: Alexander
Lernet-Holenia.GrundzĂŒge seinesProsa-Werks, S.56â60.
112 Zum Begriff der âZwischenzeitâ siehe v.a. auch Ruthner: â[...] Lernet [siedelt] die
historische Rand- und Zwischenzeit des Interregnums zwischen Monarchie und Zweiter
Republik in einem erzÀhlerischen Zwischenreich an, das auch ein zentrales Motiv in
Mars im Widder darstellt [...]â (Ruthner: Fatale Geschichte[n] im âZwischenreichâ,
S.18). Vgl. auch Lernets Brief an den österreichischen Grafiker und Schriftsteller Alfred
Kubin (1877â1959)vom7.April 1941, indemervomâeigentĂŒmlichunwirkliche[n],
vielleicht ĂŒberwirkliche[n] Leben der Zwischenzeit, die mir immer mehr wie ein Traum
erscheintâ, spricht. Die Zeit, so Lernet in diesem Brief, sei âetwa 1917, ins Irreale
abgeglittenâ (zit. nach Han: Studien zu einer Monographie, S.250). Die problematischen
Aspekteeines solchenWeltbildeswurdenbereits ausfĂŒhrlich thematisiert; soetwabei
BarriĂšre: Le fantastique dans lâĆuvre narrative dâAlexander Lernet-Holenia oder Ruthner:
FataleGeschichte(n) imâZwischenreichâ.
113 Etwa in Der Baron Bagge oder in Die Auferstehung des Maltravers, aber auch in Mars
im Widder: ââWeil sich auch unser ganzes Leben eigentlich nirgendwo anders als in
einem solchen Zwischenreich abspieltâ, sagte Wallmodenâ (A. Lernet-Holenia: Mars
imWidder, S.11). âTraumundWirklichkeit sind, soverstanden,nurdie zweiExtreme
eines ontologischen Diskontinuums, zwischen deren beiden Polen sich die Lernetschen
Zwischenreichefindenâ (ErikHauser:Zwischenreiche.AlexanderLernet-Holenias er-
zÀhlerisches Werk zwischen Traum und Wirklichkeit. In: Thomas Eicher/Bettina Gruber
[Hrsg.]:AlexanderLernet-Holenia.PoesieaufdemBoulevard.KölnâWeimarâWien:Böhlau
1999,S.145â162,hierS.148).
114 Dieses makabre Bild findet sich wieder in Beide Sizilien, wo Oberst Rochonville in
seiner Imagination die Toten des Ersten Weltkriegs nach ihren GrÀbern suchen sieht
(A. Lernet-Holenia: BeideSizilien, S.585f.).
115 Dassanowsky: Phantomempires, S.97.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik