Seite - 65 - in Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny - Briefe 1938-1945
Bild der Seite - 65 -
Text der Seite - 65 -
2.2 Bedeutung fürBiografieundWerk
Jannings. Derart beansprucht, kommt Lernet-Holenia kaum dazu, seine
eigenen Arbeiten weiterzuführen. Überdies betreibt er nach wie vor
seineVersetzungzurück indie „Ostmark“.
2.2.6 „... unddasdanke ichDir“ –TrennungundEndedes
Briefwechsels
In diese geschäftigen Tage fällt auch das vermutlich erste Treffen mit
Gottfried Benn. Am 23. März besucht Lernet den von ihm überaus
geschätztenLyriker indessenWohnung.Diebeidenwaren inbrieflichem
Kontaktgestanden225 undhättenschon imSeptember1941miteinander
essen sollen; einTermin, der offenbar nicht zustande gekommen war.226
Gestern war ich bei Benn. Er ist Militärarzt im Rang eines Obersten
und, nach Mallarmé, der letzte große Lyriker. Er hat selbst sehr
wenig Ahnung davon. Ich glaube, er ist äußerlich vollkommen
bürgerlichundeinseiner selbstganzunbewußterMensch.Resultat:
seineGedichte.Es ist sehreigentümlich, jemandenzusprechen,von
demman genauweiß, dass er,wennes dannunsere Sprachenoch
gäbe, in Jahrhunderten ungefähr den Rang eines Alkaios hätte,
oder Hölderlin sich nähernd, oder etwas dergleichen. Er aber weiß
wirklichnichtsdavon. (S.186)227
Benn schreibt über die Begegnungen mit Lernet-Holenia in Berlin in
seinemviel zitiertenBrief vom11.April 1942anF.W.Oelze:
ManchmalbesuchtmichneuerdingsHerrAlexanderLernet-Holenia,
Rittmeister, österreichischerbeidengrünenDragonern, jetzthier
eingezogen bei der H.Filmstelle, Romanschriftsteller, [...]. Wir
standen in schriftlicher Verbindung. Die persönliche Bekanntschaft
225 SieheobenS.21.
226 Vgl. S.292,Anm.zumitDr.Bennessen.
227 Ähnliches schrieb Lernet am 30. Oktober 1952 an Peter de Mendelssohn: „[...] ich
habe ihn während des Krieges, in Berlin, oft gesehen und gesprochen und eine gewisse
Naivetät [sic!], jaEinfachheitdesDenkens ist beidiesemsokompliziert schreibenden
Mann nicht von der Hand zu weisen. Ich habe das aus Nebensätzen aufgespürt und
täuschemichhierinbestimmtnicht. Ich sehedergleichenDingewieuntereinemVer-
größerungsglase. Man hat manchmal den Eindruck, er würde mit der komplizierten
Gegenwart ganz einfach nicht fertig. [...] es sieht so aus, als sei er mit dem, was er
schreibt, intellektuell – und damit auch moralisch, denn Moral ist zum großen Teil
Intellekt – nicht recht fertig geworden“ (Alexander Lernet-Holenia: Brief an Peter de
Mendelssohn [ÖLA, Nachlass Hilde Spiel, 15/91, Mappe 1 (1951–1959)]. o.O. 30. Okt.
1952).
65
Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik