Seite - 73 - in Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny - Briefe 1938-1945
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2.2 Bedeutung fürBiografieundWerk
dieobenangeführtenTextstellenSinn. InBadGasteinetwa,woes laut
LernetEndeMai1941keineHasenmehrgibt (S.146),warendieanti-
semitischenTendenzenbereitsumdieMitteder1930er-Jahre so stark
gewesen,dassdieZahlder jüdischenGästeabnahm.253 Nachdem„An-
schluss“ radikalisierte sichdasKlima, zahlreicheHotelbetriebewurden
„arisiert“,254 imGasteinerHeilstollenarbeitetenpolnischeZwangsarbei-
ter –möglicherweise spielt Lernet aufdiesesKlimaan,wenneram17.
Juni1942anLotteSwecenyschreibt: „DieLeute,die inGasteingewesen
sindunddiemanhier spricht, tunnicht sehrentzückt“ (S.199).Ähnlich
verhält es sich wohl mit den „Hasen“-Mitteilungen aus Berlin, wo Lernet
meist im Hotel Kaiserhof wohnt, das bis zum Umzug in die benachbarte
ReichskanzleidieprovisorischeParteizentralederNSDAPgewesenwar
undnachwievorzahlreicheNazi-Größenbeherbergte255 –undwoes
mitSicherheit keine Judengab.
Inden Briefen,diederWehrmachtsoffizierAlexander Lernet-Holenia
und die „Halbjüdin“ Lotte Sweceny zwischen 29. Dezember 1939 (erste
Nennung)und4. Juli 1943(letzteNennung)austauschen,findetalso
offenkundig regelmäßig ein chiffrierter Diskurs über Juden statt. Einige
Symbol für Juden inderDiaspora: immergejagt, immeraufderFlucht“, sodieKunst-
historikerin Felice Naomi Wonnenberg, die sich in einem Aufsatz mit der Rolle des
Hasen imJudentumbefassthat (NaomiFeliceWonnenberg:Hakensprüngedurchdie
Kunstgeschichte:DasDrei-Hasen-Symbol. In:David. JüdischeKulturzeitschrift 76[Apr.
2008],S.46).Siepräsentiertu.a. eineDarstellungauseinerSynagoge,aufdereinGreif
Hasen frisst, eine Metapher für die Kosakenpogrome im frühen 17. Jahrhundert, bei der
die Hasen verfolgte Juden symbolisieren (ebd., S.48). Fliehende Hasen bzw. Kaninchen
spielenaucheineRolle imEnde1939entstandenenMars imWidder, als kurzvorden
ersten kriegerischen Handlungen auf dem „Polenfeldzug“ die Zwischenkriegszeit an
Wallmodens inneremAugevorbeizieht: „Eswar, alsobetwasHuschendes,dasdurch-
sichtig war, neben ihn gesprungen sei wie gespenstische Kaninchen“ (A. Lernet-Holenia:
Mars imWidder, S.148).Undnocheinmal: „EinHase stobdavon“ (ebd., S.151).
253 Vgl. dazu Laurenz Krisch: Bad Gastein: Die Rolle des Antisemitismus in einer Frem-
denverkehrsgemeinde in der Zwischenkriegszeit. In: Robert Kriechbaumer (Hrsg.):
DerGeschmackderVergänglichkeit: JüdischeSommerfrische inSalzburg.Wien:Böhlau
2002, S. 175–226, und ders.: Zersprengt die Dollfußketten. Die Entwicklung des Na-
tionalsozialismus inBadGasteinbis1938 (SchriftenreihedesForschungsinstitutes für
politisch-historischeStudienderDr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek,Bd.Bd.19).Wien–
Köln–Weimar:Böhlau2003.
254 Zu den Arisierungen in Bad Gastein vgl. etwa Albert Lichtblau: „Arisierungen“, beschlag-
nahmteVermögen,Rückstellungen undEntschädigungen inSalzburg (Veröffentlichungen
der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit
sowieRückstellungenundEntschädigungenseit1945inÖsterreichBd.17/2).München:
Oldenbourg2004.
255 Vgl. auchS.288,Anm.zu imKaiserhof.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik