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2.2 Bedeutung fürBiografieundWerk
Vorsichtigeräußert sichHamacher inseinemimdazugehörigenTagungs-
bandveröffentlichten,bereits erwähntenAufsatz:
Dessen [Lernets, C.D.] persönliche Haltung zum Antisemitismus
seinerZeit vor,währendundnachdemzweitenWeltkriegzubele-
gen istSachederbiographischenForschung,dieeinabschließendes
Urteil erstdannwird treffenkönnen,wennderNachlaß inklusive
derprivatenKorrespondenz inGänzeerschlossen ist.270
Dieser Zeitpunkt ist mit Publikation der vorliegenden Briefe nun ein
wenignähergerückt.AuchdasBildvonAlexanderLernet-HoleniasPo-
sitiondem„DrittenReich“gegenüberhatdurchdieLektürederBriefe
LernetsanLotteSwecenyanSchärfegewonnen.Mittels seiner inkongru-
entenAussagenüber „Führer“,KriegsverlaufundNazi-Propaganda271 in
diesenBriefen schafft derAutoreinezwar selteneindeutige, aber stets
spürbare Distanz zwischen sich und dem Regime – immer angesichts
der zu erwartenden Zensur seiner Briefe durch das Oberkommando der
Wehrmacht.DieseDistanzzumSystemvermochteLernet freilichnicht
davonabzuhalten, es zubedienen,woes ihmimInteresse seinesberufli-
chenFortkommensundseinerpersönlichenSicherheit gebotenschien
–erwar „GegnerundzugleichStützedesSystems, verfolgtundgeför-
dert“.272 Dass er dabei mitunter zum Sklaven seines eigenen Netzwerks
wurde, hat die ihm keineswegs nur willkommene Abkommandierung
zurHeeresfilmstellegezeigt.
„Ebensowenig“, soClemensRuthner,
darf seine biografische Entwicklungslinie übersehen werden, die
Lernet vomvorerst stolzenTrägereinerWehrmachtsuniform1939
bezeichnendmagLernet-Holenias folgendemehrdeutigeÄußerunggelten: „ImJahre
1938 rückte Hitler, vom Jubel eines nicht unerheblichen Teiles unserer Bevölkerung
umbraust, inÖsterreichein,undalleLeutebegannen,sichmehroderwenigererfolgreich
mitdemNachweis zubeschäftigen,daßsiekeineJudenseien. Judengabes zwareine
ganzeMenge imLande,aberdiemeistenÖsterreicherwarendennochkeine,obwohl
man ihnen hatte wünschen mögen, sie würden sich als solche erweisen“ (A. Lernet-
Holenia: EinAriernachweis, S.175, fastwortgleich inders.: Jahrgang1897,S.142).
270 Hamacher: Schuld-Komplexe,S.46.
271 SieheS.40f.
272 Sommer:AnmerkungenzuWillkürundWohlwollenfiskalischerOrgane,S.184.Dazu
Eicher: „Es ist dabei keineswegs notwendig, den Überlebenswillen des Erfolgsautors
der Zwischenkriegszeit als Opportunismus zu geißeln, ebensowenig, wie seine Produk-
tion zeitloser dieser Jahre oder die intensive Arbeit am Kriminalroman Beide Sizilien
mit innerer Emigration gleichgesetzt werden muß“ (Eicher: Lernet-Holenia und die
österreichischeNachkriegszeit, S.12).
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik