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3.1 Briefe1938
Welt ist schon viel zu nervös, um so ohne weiters wieder zur Ruhe zu
kommen.|
Mit eigentümlicher Zähigkeit kamen, bis in die letzten Tage, die Deut-
schenmit ihrenAutos immernochhierherundmachtenAusflügeund
tranken Kaffee und schrieben Ansichtskarten. Erst in der allerletzten
ZeitnimmtdaseinEnde.
Es ist wirklich alles sehr sonderbar und anders als in früheren Zeiten,
undes ist, als oballes ineinemZauberoder ineinemTraumbefangen
wäre. Ichglaubeauch,dassdieZukunftnichtmehrnachdenGesetzen
der Logik zu bestimmen sein wird, sondern nach dem, was aus dieser
unerklärlichen Verzauberung, die die ganze Welt befallen hat, noch
werdenwirdundwerdenmuß.
Ichhoffe, esgeht Ihnenrechtgut,undauchO.C.’sAngelegenheiten
gehen inOrdnung.Nächstens, soGottwill,mehr, –undschreibenSie
mir doch recht bald wieder. Ich habe die Absicht, am 15. Oktober in
Wienzusein.AberüberdasZukünftigekannmanwohlüberhauptnichts
sagen.Handkuss,undallesLiebe!
René
11)AnMariaCharlotteSweceny,o.O. [St.Wolfgang],o.D.
[AnfangOkt. 1938]
LiebeLotte,
ich freue mich mehr als ich Ihnen sagen kann, Ihnen mitteilen zu
können,dassdieWaffenübungenerst imFrühjahr stattfindenunddass
ichMontagoderDienstag,d.17.oder18.Oktober,nachWienkomme.
Mein [sic!] Adresse weiß ich noch nicht, ich rufe Sie aber gleich an.
Die Prospekte und das Magazin habe ich erhalten. Das Magazin ist sehr
komisch. Über die Prospekte reden wir noch ausführlich. Sie haben mir
abernichtgeschrieben,obes Ihnenrecht istundobesüberhauptangeht,
dass ichSiebegleite,unddasbeunruhigtmich. Ichhättemich so sehr
gefreut!SchreibenSiemirdoch sogleich.
Ich habe den Kopf voller Projekte und arbeite sozusagen Tag und
Nacht. Ichmuß jetzt sovieleEisen, als irgendmöglich, schmiedenund
ins Feuer legen. Dabei bin ich, wie Sie sich vorstellen können, bedrückt,
zerfahrenund traurig,meineEinfällemuss icherzwingen, siekommen
alles eherals vonselbst.Wenn jeeinMensch seineEnergienötighatte,
so bin ich es jetzt. Ich wundere mich oft, dass es mir überhaupt noch
möglich ist, so subtile Vorgänge wie die dichterischen, hervorzurufen.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik