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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny - Briefe 1938-1945
Seite - 112 -
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3 Briefe Machebitte zweiPäckchenundschickediePaareeinzeln. Ichhabeheute, imBett, überdieWestfrontnachgedacht.Es ist son- derbar: so wenig ich glauben möchte, dass es dort zu einem richtigen Krieg kommt, mit tatsächlich allem Drum und Dran, so wenig kann ichglauben,dassder jetzigeZustandnicht in irgendeiner–vielleicht schleichenden– Formweiterginge. AberdieGeschichte überraschtuns ja täglich,nichtdurchneueErscheinungenzwar, aberdurchneueVari- anten ihrerLösungen. Die Variante der zeitweisen höllischen Langweile kenne ich freilich schonausdemGroßenKrieg. IchfindeüberhauptvielAnlass,mitdamals zuvergleichen.SounähnlichnämlichdiesebeidenAuseinandersetzun- geneinander sind, sohabensiedochsovielÄhnlichkeitwieetwadas Wirkliche mit dem Gespenstischen: gespenstisch deshalb, weil wir, was früher geschehen ist, damals schon genau und klar sehen konnten. Heu- te aber sehen wir die Motive nicht. Die jetzige Zeit ist eben doch viel interessanter als die damalige. Es geschieht auch Wesentlicheres als damals.Damalskames, trotzdemderKriegaufhörte, zukeinemEnde desKrieges. Jetzt kommtesvielleicht zueinerLösung inEuropa,ohne dassdemeineigentlicherKriegvoranging. | Denn dieses Einst lässt einen nicht los und braucht, au fond, nicht wiederholt zuwerden.Es ist ja schon längst, bis knappandieLösung, erledigt und vollzogen. Und zwischen diesen zwei Erscheinungen liegen diese rätselhaften zwanzig Jahre der Nachkriegszeit, in der die Welt anders war, als sie je gewesen und je sein wird, die Vorhut sozusagen einerZukunft, diewiederumanders seinwirdals ihreVorhut. Esging soweit, dass ich,bei jedemArtillerieeinschlagundbei jeder Maschinengewehrsalve den Kopf schüttelte und dachte: das könne doch nicht ganz so sein; das liege ja längst zurück; das seien nicht die Wir- kungen der wirklichen, neuen Waffen. Was aber sind sie? Die Menschen wissen es nicht. Sie verwenden sie eigentlich schon, ohne sie zu kennen. Das deutlichste Symptom dafür ist diese – vorläufige – Ruhe an der Westfront. Was vollzieht sich also wirklich? Nun, wenn wir’s auch noch nicht wissen, wir werden es bald erkennen. Denn die Abläufe vollziehen sich sehr eilig. Wir haben – vielleicht – schon ein Jahrhundert durchlebt, seit wir wirklich leben. Wir haben viele Leben gelebt. Vielleicht ist es unsereAufgabe,nochviele zu leben.DieWeltuhr,diewirGottnennen, dreht sich mit einer Exaktitüde, die allmählich besser scheint als die einesgutgebautenTheaterstückes, –unddaswillwasheißen. – 112
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny Briefe 1938-1945
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Titel
Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Untertitel
Briefe 1938-1945
Autor
Christopher Dietz
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-78887-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
468
Kategorien
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