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3.5 Briefe1942
Berlin,
d.15.Spt. 1942
N
146)AnMariaCharlotteSweceny,Berlin, 16.9.1942
M.l.H.,
heutehat JosephmirDeinPackerl gebracht,und ichdankeDich[sic!]
dafürvieleMale,undauch fürDeinBrieferl! Schickmirnur rechtbald
wiedereinPackerl, inwelchemauchetwasBaldriandrin ist.Denn ich
schlafe zwar immer gleich ein, aber morgens wache ich zu früh auf.
BittegehalsozurSylviaMünsterundsag ihrauch,daß ich imOktober
zurück zu sein hoffe. (Denn auch wenn ich nach Italien ginge, wäre ich
vorher noch ein paar Wochen in Wien. Aber vielleicht ziehe ich dem
italienischen Abenteuer die Kohlhaas-Geschichte vor. Ich täte es gerne.)
Es ist bedenklich kühler geworden, und es weht ebenso starker West-
wind, wie gestern Ostwind geweht hat. Zu Mittag habe ich heute bei
JohnnyeineGansundRotweinbekommen,–esheißt, es seiBordeaux
gewesen;undnachmittagsesse ichetwasvondem,wasDumirgeschickt
hast.
Viele Leute fragen einen jetzt schon, wie lange der Krieg noch dauern
werde; –vielleichtweil siemeinen, jemand,derUniformträgt,müssees
wissen.Nun,obman’sweißodernicht, hängtwohlnichtdavonab.
JosephfährtFreitagwiedernachWien,und ichwerde ihmalles sagen,
waserDirberichten soll.
Ich bin neugierig, wie heute abends die Geschichte mit dem Kohlhaas-
Exposé beurteilt wird. Geis hat es geschrieben, es wird heute fertig,
und ich habe hineinverbessert. – Geis erzählte mir auch mancherlei aus
Rilkes Münchener Zeit. Es stellt sich immer mehr heraus, dass René-
Marie unvergleichlich mehr geschrieben hat, als man auch nur ahnt!
Zum Beispiel hinterliess er eine ganze Kiste voller | Notizbücher, die
eineArt vonTagebuchgewesensind,und indenener sichunteranderm
auch über seine Familie beschwert: – sodass die Familie nun vorgibt, die
NotizbücherwärenzumgrößtenTeil garnichtmehrvorhanden. (Man
soll nicht soviel schreiben.)
IchdankeDir recht sehr,daßDuDichmitGreteLanzüberdieSalz-
burgerFragewillst auseinandersetzen.Vorzubereiten scheintmirhier
wichtig, – selbst wenn nichts aus dieser Sache würde, sondern aus einer
besseren.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Titel
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Untertitel
- Briefe 1938-1945
- Autor
- Christopher Dietz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorien
- Weiteres Belletristik