Seite - 12 - in Algorithmuskulturen - Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
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Jonathan Roberge und Robert
Seyfert12
bekanntlich als eine Kultur des Algorithmus gedeutet (Galloway 2006). Die
Idee, unsere Kultur als eine algorithmische zu charakterisieren steht dabei
durchaus mit den umfassenderen und etablierten kultursoziologischen Bemü-
hungen im Einklang, ›Bedeutung ernst zu nehmen‹. Was heißt das? Es geht
darum, Bedeutung nicht als ein Produkt immaterieller, frei flottierender Sig-
nifikationsprozesse zu bestimmen, sondern als etwas tief in der Wirklichkeit
verwurzeltes und mit Handlungsträgerschaft und Performativität eng verwo-
benes zu verstehen. In der Tat, eine Kultursoziologie der Algorithmen ist nur
möglich, insofern Algorithmen sowohl als bedeutsam als auch als performa-
tiv begriffen werden – Algorithmen sind bedeutsam, weil sie performativ sind
und vice versa. Die zuvor angeführten Perspektiven sind zweifelsohne beach-
tenswerte Beiträge, unserer Auffassung nach generieren sie jedoch eher das
Desiderat nach einer dichteren, tiefer schürfenden und komplexeren Analyse
der Algorithmuskulturen, als dass sie eine solche überflüssig machen würden.
Im Titel des Bandes klingt es ja schon an: Wir wollen die Möglichkeit einer
Algorithmuskultur adressieren, nicht ohne diese dabei mit Pluralisierungen
zu ergänzen, oder besser noch: diese mit Pluralisierungen zu kontaminieren.
Kulturelle Pluralität innerhalb
der algorithmusKulturen
Trotz seines theoretischen Potentials wurde Galloways Argument nie weiter
ausgeführt oder vertieft und es erscheint uns daher von eher inspirieren-
dem denn von analytischem Wert. Jüngst ist es insbesondere Ted Striphas,
der »historisch-definitorische« Versuche unternimmt, um zu ergründen,
was genau eine algorithmische Kultur im Kern ausmachen könnte (Striphas
2015, 2009; Hallinan/Striphas 2014; Roberge/Melançon im Erscheinen; be-
dingt auch Kushner 2013). Die Art und Weise, wie er (in diesem Fall mit sei-
nem Ko-Autor Blake Hallinan) dieses Vorhaben angeht, entbehrt nicht einer
humanistischen Note. Das zeigt sich etwa in der Frage: »Was bedeutet und
was könnte Kultur zukünftig bedeuten, angesichts der wachsenden Präsenz
algorithmischer [Empfehlungs-]Systeme […]?«. (Hallinan/Striphas 2014: 119)
Anders formuliert, Striphas ist auf der Suche nach essentiellen, wenn nicht
gar ontologischen Kategorien, in Hinblick auf Konzepte wie »Arbeit der Kul-
tur« oder »Weltkulturerbe« und deren tiefgreifender Transformation im Zuge
der Automatisierung. Kulturelle Zirkulations- Selektions- und Klassifika-
tionsprozesse unserer Tage werden, so Striphas’ Diagnose, zunehmend von
»algorithmischen Berufungsgerichten« bestimmt. Seine Argumentation ist
epistemologisch stichhaltig und erfasst die wesentlichen Facetten der Debat-
te. Einerseits würdigt er stets die mehrdimensionale Beschaffenheit der Algo-
rithmuskultur und betont, dass die semantischen und technischen Elemente
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik