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Algorithmuskulturen - Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
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Jonathan Roberge und Robert Seyfert28 schnelle Erholung der Wertpapierpreise erfolgt. Der gemeinsame Bericht der Commodity Futures Trading Commission und der Security Exchange Commission in den Vereinigten Staaten beschrieb den Flashcrash von 2010 wie folgt: »Um etwa 14.30 Uhr des 06.05.2010 fielen die Kurse sowohl des E-Mini S&P 500 fu- tures contract als auch des SPY S&P 500 exchange traded fond (ETF) plötzlich um 5 % in nur fünf Minuten. Mehr noch, schon in den folgenden zehn Minuten erholten sich die Kurse von ihren Verlusten. In eben dieser kurzen Erholungsphase stürzten die Kurse von hunderten einzelnen Aktien und ETFs auf das lächerliche Niveau eines Pennys oder weniger, bevor sie sich wenig später ebenso schnell wieder erholten. Am Ende des Tages war alles wieder beim Alten und so wurde dieses Ereignis auf den Namen Flashcrash des 06. Mai getauft.« (CFTC und SEC 2010a: 3) Diesem gemeinsamen Bericht zufolge waren es Hochfrequenzhändler (unter Anwendung von Algorithmen), die »begannen, schnell Wertpapierkäufe und -verkäufe vorzunehmen und so einen ›hot potato‹ Volumeneffekt hervorriefen, so dass Positionen schnell hin und her gehandelt wurden […] Hochfrequenzhändler handelten über 27.000 Kontrakte, was in etwa 49 % des gesamten Handelsvolumens entsprach, obwohl sie bereinigt nur 200 Kontrakte hin- zukauften« (CFTC und SEC 2010a: 3). Dieser Hot Potato Effect ist eine weitere Iteration verteilter Dysfunktionalität, eine ertragsarme Routine, die das Produktivitätsparadigma des Finanzmarkts subvertiert. Eine Ursache für das Auftauchen von Fehlern in der algorithmischen Pra- xis hat mit dem Umstand zu tun, dass die Interaktionen mit und zwischen Al- gorithmen immer wieder missverstanden werden. Valentin Rauer verdeutlicht in seinem Beitrag anhand von zwei Fallstudien die Schwierigkeiten bei der Einschätzung algorithmischer Handlungsträgerschaft. In Algorithmuskul- turen wurden die traditionellen Interaktionen über deiktische Gesten durch etwas ersetzt, dass Rauer »mobilisierende Algorithmen« nennt. Während Face-to-Face-Interaktionen deiktische Gesten – wie das da oder Du – erlauben, benötigen über Distanz hinweg verlaufende Interaktionen Mittler. Mobilisie- rende Algorithmen sind zu solcherlei Mittlern geworden und sie agieren zu einem gewissen Grade autonom. Ein Beispiel hierfür wären automatische Not- rufe, die als funktionales Äquivalent zu deiktischen Gesten dienen (Mayday! Mayday!). Rauer zeigt nun auf, wie die Einführung algorithmischer Mittler zu wechselnden und vielgestaltigen Skalen und Reichweiten von Handlungs- fähigkeit führen. Solche Skalierungsprozesse lassen die Vorstellung einer rein algorithmischen oder rein menschlichen Handlungsträgerschaft zweifelhaft werden. Autarkie und völlige Independenz sind Grenzwerte, sie bezeichnen
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Algorithmuskulturen Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
Titel
Algorithmuskulturen
Untertitel
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
Autor
Robert Seyfert
Herausgeber
Jonathan Roberge
Verlag
transcript Verlag
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3800-8
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
242
Schlagwörter
Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
Kategorie
Technik
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