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Algorithmuskulturen - Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
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1. Was sind Algorithmuskulturen? 29 Schranken, die nie ganz erreicht werden, weder von Menschen noch von Algo- rithmen. Im öffentlichen Diskurs werden diese Skalen der Handlungsträger- schaft allerdings von einem starken kulturellen Imaginären entweder verdun- kelt oder gar ganz ignoriert. Die Problematik dieses kulturellen Imaginären wird in Zeiten algorithmischer Zusammenbrüche besonders sichtbar. Rauer illustriert dies in einer Fallstudie zum ›fehlenden Algorithmus‹, der letztlich zum Scheitern des Drohnenprojekts Euro Hawk führte. In diesem spezifi- schen Fall führte ein fehlender Algorithmus dazu, dass die Drohne während ihres ersten Fluges führungslos vollkommen blind, und eine wirkliche Bedro- hung für alles in ihrer Nähe darstellte (Valentin Rauer in diesem Band: 200). Das Fehlen des Algorithmus war in diesem Fall allerdings nicht das Resultat eines unbeabsichtigten Fehlers. Vielmehr war das Fehlen darauf zurückzu- führen, dass die Drohne eigentlich hätte gelenkt werden sollen – sie war dafür gemacht, von einem handelnden Menschen gelenkt zu werden. Der Prototyp des Euro Hawk arbeitete folglich mit einer starken Vorstellung menschlicher Handlungsträgerschaft – einer Handlungsträgerschaft die ihre Schöpfungen stets beherrscht – die Handlungsträgerschaft der Drohne wurde hingegen unterschätzt. Der Fall des fehlenden Algorithmus zeigt abermals, dass Fehler- haftigkeit und Unordnung ausschlaggebende Faktoren innerhalb algorithmi- scher Praktiken sind. So paradox es klingen mag, das Fehlen eines Algorithmus ist Ausdruck der Unordnung algorithmischer Praktiken, der gleichen Unordnung also, die auch der Grund für die den Algorithmuskulturen innewohnenden Versprechungen und Träume ist. Anders formuliert ist die Erfüllung dieses Traumes stets nur einen Schritt entfernt von dessen Vollendung. Es fehlt immer nur noch ein letz- ter Algorithmus, der implementiert werden muss. Mit anderen Worten, es sind die regelmäßigen Fehlausrichtungen welche die Existenz der Versprechungen und Hoffnungen von einer reibungslosen algorithmischen Funktionalität er- möglichen. Wenn alles reibungslos funktionieren würde, wären diese Verspre- chungen überflüssig und würden schlicht verschwinden. Der Traum von einer algorithmischen Objektivität, von einem reibungslosen Funktionieren und von reiner Effizienz; der Traum von algorithmischer Autonomie und die Hoff- nung auf eine höhere Rationalität, ergeben erst im Kontrast zum regelmäßigen Scheitern einen Sinn. Die falschen Ausrichtungen und das Versagen von Algorithmen sind fer- ner nicht allein auf fehlende Algorithmen oder auf technische Defekte zu- rückzuführen. Vielmehr lassen sie sich genau der Diskrepanz zwischen den konkreten algorithmischen Praktiken auf der einen Seite, und den in sie ein- geschriebenen Erwartungen an Rationalität, Handlungsträgerschaft und die Objektivität ihrer Codes, auf der anderen zurechnen. Sobald Algorithmen in sozio-technische Assemblagen eintreten, sind sie mehr als nur »Logik + Kont- rolle«. Daher darf sich eine Kulturanalyse der Algorithmen nicht nur den tech-
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Algorithmuskulturen Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
Titel
Algorithmuskulturen
Untertitel
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
Autor
Robert Seyfert
Herausgeber
Jonathan Roberge
Verlag
transcript Verlag
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3800-8
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
242
Schlagwörter
Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
Kategorie
Technik
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