Seite - 45 - in Algorithmuskulturen - Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
Bild der Seite - 45 -
Text der Seite - 45 -
2. Die algorithmische Choreographie des beeindruckbaren Subjekts 45
scheinbar unbedeutenden ›technischen‹ Praktiken unsere Aufmerksamkeit
schenken, die in der Tat grundlegend für das Entstehen des beeindruckbaren
Subjektes sind. Es handelt sich hierbei freilich nicht um die einzig mögliche
Narrativierung, folglich ist das folgende Narrativ auch keineswegs verbindlich.
Zur Gliederung unseres Narrativs werden wir vier maßgebliche Momente der
Hervorbringung fokussieren und lokalisieren, die uns konstitutiv für das Ent-
stehen des beeindruckbaren Subjektes erscheinen. Diese Momente der Her-
vorbringung bezeichnen wir als die Produktion (1) des blickenden Subjekts, (2)
des angeregten Subjekts, (3) des individuierten Subjekts und (4) des markierten/ge-
brandmarkten Subjekts.3 Wir möchten so detailliert wie irgend möglich aufzei-
gen, wie jene Subjektpositionen innerhalb des Entstehens des soziomateriellen
Ganzen des Internets produziert werden, welche letztlich das beeindruckbare
Subjekt hervorbringen.
die entstehung des blickenden SubjektS:
das einfangen des blicKs durch screening
Was könnte dazu führen, dass ein Computerbildschirm als ein geeigneter Ort
für Werbeanzeigen wahrgenommen wird? So offensichtlich ist die Antwort
auf diese Frage gar nicht. Offenkundig ist zunächst hingegen der Umstand,
dass die frühen Computernutzer, insbesondere die Programmierer, keinesfalls
damit rechneten irgendwann Werbungen auf ihren Bildschirmen erscheinen
zu sehen. Vielleicht liegt der Grund hierfür darin, dass der Computerbild-
schirm (Display) gar nicht als ein Anzeige-Bildschirm (Screen) wahrgenom-
men wurde. Viel eher stellte der Bildschirm eine Art Arbeitsoberfläche dar,
einen Ort also, an dem Codes erstellt und Algorithmen in Outputs verwandelt
wurden – hauptsächlich Datenoperationen, Druck-Protokolle und dergleichen.
Nichtsdestotrotz könnte die Bestimmung des Computerbildschirms als Anzei-
ge-Bildschirm mit dem Wandel der Computer von Fest- bzw. Großcomputern
zum PC augenscheinlicher geworden sein. Mit diesem Wandel wurde der Bild-
schirm re-positioniert: Aus einer Arbeitsoberfläche auf der Codes und derglei-
chen erstellt wurden, wurde ein Ort, auf dem relevante Leistungen, Ergebnisse
usw. empfangen werden konnten. Mit dieser Re-Positionierung transformierte
sich die Arbeitsoberfläche in einen Screen (Introna/Inharco 2006). Screens als
Anzeige-Bildschirme können unsere Blicke auf sich ziehen und fesseln. Das
liegt schon darin begründet, dass Screens filtern und ordnen, was in einem
gegebenen Kontext vermeintlich relevant für die sich vor ihnen befindenden
Nutzerinnen ist. Der Screen rahmt eine Unterscheidung und bringt sie her-
vor (eine Grenze), der Screen scheidet, was in einem gegebenen Kontext re-
3 | Im englischen Original ist an dieser Stelle von »branded subject« die Rede. A.d.Ü.
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik