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Lucas D.
Introna50
te, um zu einem verlinkten Dokument oder Inhalt zu gelangen.7 Die neuen,
eingebetteten Hyperlinks erlaubten es dem Nutzer, einfach auf ein Objekt zu
klicken (Text oder Bild) und so ein Dokument abzurufen. Die New York Times
beschrieb den Mosaic-Browser als »eine derart verschiedenartige und so of-
fensichtlich nützliche Anwendungssoftware, dass sie eine neue Branche wie
aus dem Nichts entstehen lassen könnte«.8 Mit diesem standardisierten und
plattformübergreifenden Browser konnte der individuelle Zugriff auf Inhalte
erheblich dynamischer kuratiert werden.
Wichtiger noch: Durch den Browser mit eingebetteten Hyperlinks wird die
Nutzerin zur Kuratorin der Inhalte auf ihrem eigenen Screen. Durch das Kli-
cken auf Hyperlinks wurden die nachfolgenden Inhalte von der Nutzerin be-
stimmt, was individualisierte Reisen durch die Inhalte erlaubte, welche wiede-
rum alle von einer standardisierten GUI kuratiert wurden (Webbrowser). Dies
stellte einen entscheidenden Entwicklungsschritt hinsichtlich der Produktion
des beeindruckbaren Subjekts dar. Traditionelle Medien wie Radio, Fernse-
hen und Zeitschriften sind allesamt ›Schubmedien‹. Mit anderen Worten: Der
Medieninhalt wird hier vom Verleger oder Herausgeber bestimmt. Daher ist
es für den Betrachter verhältnismäßig leicht, die Medieninhalte als irrelevant
abzutun – womit der Blick des Subjektes verloren geht. In der hyperverlink-
ten Datenstruktur (die durch die Entwicklung von HTML ermöglicht wurde),
kann auf den Inhalt vom Nutzer (oder Browser) selbst, gemäß vermeintlich
individueller Entscheidungen, ›zugegriffen‹ werden. Dieses ›Zugriffs-Modell‹
bringt das Subjekt demzufolge als ein Subjekt hervor, das scheinbar eigene
Entscheidungen trifft, eigene Inhalte kuratiert und das alles den eigenen Inte-
ressen entsprechend. Daher wurde das meiste, was auf dem Screen auftauch-
te nun als relevant wahrgenommen – vielleicht auch die Werbung. Natürlich,
auch diese ›freien‹ Entscheidungen werden von dem Herausgeber subtil kura-
tiert, beispielsweise durch die auf einer Webseite zur Auswahl gestellten Links
etc. Folglich geht damit auch eine subtile Hervorbringung von Handlungsträ-
gerschaft einher. Gleichwohl wird durch das Hyperlinking nicht nur Relevanz
erzeugt, sondern, und das ist ebenso bedeutsam, es werden auch zunehmend
individualisierte Subjekte produziert – Subjekte also, die entsprechend ihres
Surfverhaltens kategorisiert werden können, was wiederum für die Erzeugung
des beeindruckbaren Subjekts von entscheidender Bedeutung ist. Kurzum: Es
wurde eine Mannigfaltigkeit an Mechanismen und Techniken der Wissens-
produktion etabliert.
7 | Die vorhergehende Version VioalaWWW, auf der Mosaic aufbaute, erlaubte auch
eingebettete Hypertextlinks, es handelte sich allerdings nicht um einen plattformüber-
greifenden Browser (Windows, Mac OS und Linux).
8 | http://history-computer.com/Internet/Conquering/Mosaic.html (zuletzt abgeru-
fen am 20. Februar 2016).
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik