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Lucas D.
Introna56
(Shah/Kesan 2009). Ein Grund hierfür bestand darin, dass sich die Task Force
so lange nicht auf ein Abkommen einigen konnte, bis bereits ein neues Werbe-
geschäftsmodell entstanden war, für das die bestehende Cookie-Technologie
eine notwendige Bedingung darstellte. Während dieser langen Verhandlungs-
phase war Netscapes Cookie-Anwendung de facto bereits zum Standard ge-
worden und es wurde enormer Druck vonseiten der Werbeindustrie ausgeübt,
diesen Status quo auch beizubehalten.
Die Kombination von Cookie-Daten mit Daten aus traditionellen Aggrega-
toren erlaubte den Werbeagenturen ein feinkörniges Tracking und Targeting
– so zumindest die Vermutung. Das erste Unternehmen, das ein elaboriertes
Tracking- und Targetingsystem entwickelte war DoubleClick. Sie nannten es
›Dynamic Advertising Reporting and Targeting System‹ oder (DART)-System.
Dieses System automatisierte einen großen Teil des Kaufs- und Vertriebszyk-
lus und erlaubte es den Werbekunden, ihre Kampagnen über eine große An-
zahl von Webseiten hinweg nachzuverfolgen. Zudem wurde das System zum
Katalysator für ein Vorgehen, das auf der Cookie-Technologie basierend als be-
havioral targeting bekannt wurde (Jaworska/Sydow 2008).
Ein weiterer Ansatz, der von Google auf den Weg gebracht wurde, besteht
darin, das beeindruckbare Subjekt durch die Assoziation bestimmter Schlag-
wörter (sogenannter AdWords) hervorzubringen. Die Werber erstellen Wer-
bungen und ordnen diesen bestimmte Schlagwörter zu, die sie als relevant für
ihre Dienstleistung und Produkte ansehen und die sie ersteigern (Chen et al.
2009). Sobald diese Schlüsselwörter von einer Nutzerin eingegeben werden,
erscheint die Werbung nebst der Ergebnisse der Suchmaschine. Dies erlaubt
es wiederum der Nutzerin die Werbeanzeige anzuklicken und so auf die Web-
seite des Unternehmens weitergeleitet zu werden. Google zufolge ermöglicht
es AdWord-Nutzern ein »Publikum zu bewerben, dass bereits zuvor an Ihnen
interessiert war«. Die AdWords sind auch in andere Anwendungen von Google
eingebettet, etwa in Gmail und Youtube. So durchsucht Google beispielswei-
se Emails in Gmail nach Schlagwörtern und schaltet Werbeanzeigen, die mit
diesen in Verbindung stehen – ein Verfahren, das als search and contextual ad-
vertising bekannt ist.15
Das beeindruckbare Subjekt wird individuiert und durch dessen Hyperlink-
Reisen und Suchanfragen erzeugt. Das beeindruckbare Subjekt wird über das her-
vorgebracht, was es besucht und das wonach es sucht. Dabei wird dieses Subjekt in
erheblichem Maße über Aktivitäten hervorgebracht, die ohne aktive menschli-
che Beteiligung auskommen. Hierbei sind bedeutende algorithmische Akteure
involviert, auf die wir hier allerdings nicht weiter eingehen können (Castelluc-
15 | Search and contextual advertising lässt sich als branchenspezifischer Begriff
schwer ins Deutsche übersetzen. ›Semantisches Targeting‹ oder Kontext-Targeting‹ tref-
fen es vielleicht noch am ehesten. A.d.Ü.
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik