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2. Die algorithmische Choreographie des beeindruckbaren Subjekts 59
die ProduKtion des indiViduiert marKierten/
gebrandmarKten subjeKts
Um die Internetaktivitäten (oder ›markenspezifischen Signale‹) eines brow-
senden Subjektes in die Aktivitäten eines beeindruckten Subjektes zu transfor-
mieren, wird maschinelles Lernen (oder award-winning data science) eingesetzt.
Maschinelles Lernen setzt große Datenmengen, eine sehr leistungsfähige In-
frastruktur zur Datenverarbeitung sowie mathematisch-maschinell lernende
Algorithmen voraus. Maschinelles Lernen verfährt induktiv, im Unterschied
zu herkömmlicher künstlicher Intelligenz, die deduktiv vorgeht. Es setzt also
beim tatsächlichen Verhalten an oder zumindest an den Daten, die dieses Ver-
halten generiert. Mittels statistischer Verfahren versucht es sodann Modelle
dieser Erfahrung bzw. dieses Verhaltens zu bilden, um beispielsweise zukünf-
tiges Verhalten vorherzusagen, Verhalten zu kategorisieren oder zu klassifi-
zieren, ähnliche Verhaltensweisen anzugleichen, zu gruppieren etc.19 Diese
Modelle können dann – gestützt auf neuen Daten zu konkreter Erfahrung/
konkretem Verhalten – permanenter und automatischer Revision (oder Lern-
prozessen) unterzogen werden. Je höher die Qualität und Menge an Daten, die
die Modelle verarbeiten, desto besser ihre Leistung. Das ist der Grund dafür,
dass Google uns mit seinen Applikationen ›umsonst‹ interagieren lassen will,
denn die Interaktionen generieren Daten und die Daten erlauben eine feinfa-
serige Individuation des Subjekts. Je individuierter das Subjekt desto wertvol-
ler ist es hinsichtlich seiner Beeindruckbarkeit. Mithilfe der Lernalgorithmen
kann sich diese Individuation automatisch vollziehen und so das einzigartige
und im hohen Maße beeindruckbare Subjekt, einen Markt des Einzelnen (mar-
ket of one) hervorbringen. Dstillery beschreibt das wie folgt:
Einmal Klicken, einmal Antippen, einmal Wischen, eine GPS-Suchanfrage. Dies sind
nicht nur Handlungen, es sind Signale… Wir sammeln Daten entlang des gesamten
Konsumentenwegs. Daraufhin extrahieren wir den wichtigsten Bestandteil: die Muster
geteilter Verhaltensweisen, die eine Verbindung zu Ihrer Marke aufzeigen… Wir nutzen
diese Muster, um das reinste mögliche Publikum für Sie zu destillieren, also die Leute,
die sich mit wissenschaftlich nachgewiesener Wahrscheinlichkeit auf Ihre Marke ein-
lassen werden.20
19 | Spamfilter, Empfehlungsdienste (Amazon, Netflix), Googles Autovervollständi-
gung etc. sind alles Anwendungssoftwares, die auf maschinell lernenden Algorithmen
basieren.
20 | www.dstillery.com/how-we-do-it/ (zuletzt abgerufen am 15. November 2015);
Herv. L.I.
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik