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Lucas D.
Introna62
die ProduKtion einer indiViduierten begegnung
(Zum richtigen Preis)
Sobald ein browsendes Subjekt für alle von Dstillery bewirtschafteten Marken
bewertet (nach Markenaffinität klassifiziert) wurde, muss eine Gelegenheit ge-
funden werden, relevante Werbung zu zeigen. Nehmen wir an, dass der Brow-
ser einen Link zu einer häufig besuchten Webseite wie die der NYT anklickt
und sich auf dieser Seite potentieller Werberaum befindet. Nun wird ein Sig-
nal an den Adserver übermittelt, der das Signal wiederum an die Ad-Exchange
(hier treffen Kauf- und Verkaufsalgorithmen aufeinander) weiterleitet. Eine
Ausschreibung wird angesetzt und es wird eine Auktion in Echtzeit abgehal-
ten. Der erfolgreiche Bieter erhält das Recht in dieser Sitzung eine bestimmte
Anzahl an Impressionen zu einem bestimmten Preis zu zeigen. Sobald der
Inhalt im GUI des Browsers ankommt, wird es die Werbeanzeige des erfolg-
reichen Bieters eingefügt haben. Dies alles geschieht in einer Zeitspanne von
100 Millisekunden (das Blinzeln eines Menschen nimmt typischerweise 300
Millisekunden in Anspruch). Die eingebettete Werbung kann entweder ein
Standardartefakt sein, das für die Kampagne erstellt wurde oder es kann dy-
namic creative optimization (Optimierung von Werbekampagnen in Echtzeit)
angewandt werden. Das ist der Moment in dem die Werbeanzeige kunden-
spezifisch an das beeindruckbare Subjekt für eine spezifische Impression an-
gepasst wird. Anstatt dem Subjekt die immer gleiche Werbung zu zeigen, ist
es möglich, dem Subjekt eine ganze Reihe von spezifizierten Werbungen zu
zeigen, die es möglich machen, das Subjekt anzustacheln bevor es beispiels-
weise ein bedingtes Angebot wie ›Nur heute im Angebot!‹ zu sehen bekommt.
Die letzte Stufe in diesem ›Agencement‹ oder dieser Assemblage besteht
darin, die Konversionen zu überwachen und die Bewertung der Markenaffini-
tät ebenso wie die Modelle zu aktualisieren, und das bedeutet: von konkreten
Erfahrungen zu lernen. Wenn sich ein Browser mit hoher Markenaffinität bei-
spielsweise nicht auf eine Konversionsaktivität einlässt, werden die Modelle
angepasst, um dies zu berücksichtigen. All diese Aktualisierungen und Kont-
rollen laufen automatisch ab. Darüber hinaus überwachen andere maschinell
lernende Modelle die Datenströme, um die Intaktheit und Vollständigkeit des
algorithmischen Ganzen sicher zu stellen (Reader et al. 2012). Hierbei geht es
beispielsweise um die Eliminierung betrügerischer (von Clickbots generierter)
Daten oder die Anpassung an plötzliche Veränderungen bei Datenlieferanten
usw. Diese drei Schritte – Auswertung von Markenaffinität, Echtzeit-Bieten
und die fortlaufende kreative Optimierung – komplettieren die minutiöse Cho-
reographisierung und Kuratierung des beeindruckbaren Subjektes. Am Ende
soll die richtige Person zur richtigen Zeit mit dem richtigen kreativen Inhalt
konfrontiert werden – und das zum richtigen Preis. Man könnte sagen, ein voll-
kommen markiertes und gebrandmarktes Subjekt wurde hervorgebracht. Es ist
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik