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Lucas D.
Introna66
scher Akteure dargelegt. Jedoch setzt diese Choreographie reflexive Subjekte
voraus. Die Subjekte sind keine Betrogenen und auch kein reines Futtermittel
im Kampf um unternehmerisches Kapital. Vielmehr sind sie sich der Choreo-
graphie bewusst und zudem mehr oder weniger explizit aber doch aktiv an ihr
beteiligt. Mit anderen Worten, auch die Subjekte versuchen, mehr oder weni-
ger aktiv, Autoren oder Kuratoren ihrer eigenen Subjektpositionierung zu sein.
Innerhalb der Choreographie sind sie freilich nie ganz dazu im Stande zu die-
sen zu werden. Latour zufolge, ist Handeln stets: »entlehnt, verteilt, suggeriert,
beeinflusst, dominiert, übersetzt.« Und das soziomaterielle Handeln stellt hier
»die Hauptquelle der Unbestimmtheit über den Ursprung der Handlung« dar
(Latour 2010: 82).
Die Gründe dieser Quelle der Unsicherheit (bzw. für die diffuse Beschaf-
fenheit der Handlungsträgerschaft) sind mannigfaltig. Man könnte beispiels-
weise annehmen, dass es Nutzern möglich sei, einfach aus dem Prozess der
Verfolgung und Individuierung ›auszusteigen‹ – eine Option die von vielen,
einschließlich Google, angeboten wird. Google weist folgendermaßen darauf
hin:
»Sie können sich wahlweise gegen interessenbezogene Werbung von Google mittels
Werbe-Einstellungen entscheiden. Wenn sie aussteigen, werden Sie zwar weiterhin
Werbeanzeigen sehen, aber diese werden nicht in Beziehungen zu Interessen, vorher-
gegangenen Websitebesuchen oder demographischen Details stehen.«26
Wenn man aussteigt wird man folglich mehr oder weniger zufällige Werbung
zu sehen bekommen. Die Aussage impliziert allerdings gleichzeitig die Fra-
ge: Was würden Sie vorziehen, sinnvolle und relevante, auf Ihren Interessen
fundierte oder rein beliebige Werbeanzeigen? Sie haben die Wahl. Man kann
der Werbung aber nicht gänzlich den Rücken kehren. Diese Vereinbarung, ein
›freies‹, durch Werbeeinnahmen finanziertes Internet zu haben, wurde schon
früher von einer ganzen Schar von Akteuren direkt oder indirekt getroffen
(Zuckerman 2014). Klar ist, dass diese unterstellte Kostenfreiheit des Internets
abhängig von der erfolgreichen Hervorbringung des beeindruckbaren Sub-
jekts ist, denn dieses ist das Geschäftsmodell des Internets.
In dieser implizit vereinbarten Logik, wird vorausgesetzt, dass es im In-
teresse aller ist, sinnvolle anstelle von irrelevanten und beliebigen Werbean-
zeigen zu schalten. Es ist in Googles und im Interesse anderer Unternehmen,
die Werbungen sinnvoll zu gestalten und das bedeutet, uns als beeindruckba-
re Subjekte hervorzubringen. Die Alternative, für ein werbefreies Internet zu
zahlen, gibt es nicht (und wen würde man dafür bezahlen?) – und man geht in
26 | https://support.google.com/ads/answer/2662922?hl=en-GB (zuletzt abgerufen
am 15. November 2016).
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik