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Tarleton
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eingegrenzt (es werden beispielsweise nur U.S.-User gezählt); dies kann dann
als ein Merkmal der Resultate angezeigt werden (wie bei Twitter) oder es bleibt
unklar und damit der Phantasie der Nutzer überlassen sich vorzustellen, um
welches ›Wir‹ es sich eigentlich handelt. Die Plattformen berücksichtigen mit-
unter auch, auf wessen Aktivität sie zugreifen, so kann etwa die Aktivität von
populären Nutzerinnen stärker gewichtet werden; ebenso kann so mit einbezo-
gen werden, ob sich die Popularität eines bestimmten Elements auf ein Cluster
von Nutzerinnen beschränkt oder ob sie sich über verschiedene Gruppierun-
gen erstreckt, die bereits als Freunde oder Followers miteinander verlinkt sind.
Wann: Trending-Algorithmen prämieren Neuheit und Aktualität in zweier-
lei Hinsicht, sie identifizieren ungewöhnlich hohe Aktivitäten auf einer Web-
seite und sie streben danach, diese mit gegenwärtigen Ereignissen abzustim-
men. Die Parameter die angelegt werden um das Gegenwärtige, das Jetzt zu
bestimmen sind dabei oftmals gestuft: Waren die Elemente während der letz-
ten Minute, Stunde oder während des letzten Tages populär? Darüber hinaus
erfordert die Identifizierung von populären Einträgen eine Messbasis dessen,
was typisch für einen bestimmten Eintrag ist. Dies wiederum macht für ge-
wöhnlich die Auswahl eines Referenzpunktes in der Vergangenheit als Ver-
gleichsgrundlage notwendig: Um wieviel reger ist die Diskussion zu diesem
Thema jetzt im Vergleich zur Aktivität zur gleichen Uhrzeit vor einer Woche?
Das kann knifflige mathematische Justierungen nötig machen, um Themen
mit sehr geringer Aktivität aufzuwiegen – wenn ein Thema eine Nennung in
der letzten Woche fand und in dieser Woche zwei, handelt es sich dann um
einen gewaltigen oder einen dürftigen Popularitätsprung? Oder man denke an
Themen für die es keine früheren Vergleichspunkte gibt, wie die erste Bespre-
chung eines neuen Filmtitels oder das erste Erscheinen eines viralen Hashtags.
Was: Trending-Algorithmen sind beinahe vollkommen agnostisch hin-
sichtlich des Inhalts, den sie ermitteln. Sie müssen allerdings Worte ausschlie-
ßen, die zu gebräuchlich sind, um einen Trend zu repräsentieren: Ein Wort wie
»heute« sollte wahrscheinlich aus dem Raster genommen werden. Was jedoch,
wenn der Gebrauch untypisch in die Höhe schlägt, ist dann vielleicht doch et-
was Besonderes im Gange? Die Trending-Algorithmen müssen unterscheiden
können, wenn das gleiche Wort, verschiedene Bedeutungen hat: Meint »heute«
heute im Sinne von aktuell/gegenwärtig oder verweist es auf die heute-Nach-
richten im ZDF? Ebenso müssen sie erkennen, wenn verschiedene Termini
zusammengezählt werden sollten: Gegebenenfalls sollten die Hashtags #Heu-
te Show, #Heute, #heute und #heuteshow als der gleiche Fall betrachtet wer-
den.2 All das ist auf ein großes Pensum maschinellen Lernens und auf grobe
Mutmaßungen angewiesen. Plattformen passen ihre Trending-Algorithmen
2 | Im Original wird freilich ein Beispiel aus dem englischen Sprachraum angeführt: »to-
day«; »#today«; »Today Show«; »#todayshow« usf. A.d.Ü.
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik