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3. #trendingistrending 89
mit diesen Daten umgegangen wird und wie sie algorithmisch sortiert werden und wie
all das letztlich die Kultur prägt.« (Beer/Burrows 2013: 63)7
das PoPuläre Verstehen: Von der geschmacKsformung
Zu PubliKumsmetriKen Zu informationsVermittlern
Trending-Algorithmen mögen im technischen Sinne zwar neu sein, im kultu-
rellen Sinne sind sie es nicht. Sie bauen auf einer jahrhundertelangen Erfah-
rung der Medienbranche auf, das zu identifizieren (und oft auch zu quantifi-
zieren), was beliebt ist, wobei immer wieder innovative Wege gefunden werden,
diese Messungen in die kulturelle Zirkulation zurückfließen zu lassen. Wir
begegnen Kultur seit langer Zeit vermittelt über subjektive Behauptungen, so-
wie über hervorgebrachte Metriken darüber, was populär ist, was populär sein
wird und was es sein sollte. Folglich ist es angebracht, die Trending-Algorith-
men und ihre Rolle in den Social-Media-Pattformen im Lichte ihrer Analoga
des 20. Jahrhunderts zu betrachten.
Ich verbinde unsere Untersuchung der Algorithmen an dieser Stelle mit
einer weiter gefassten Befragung der materiellen, institutionellen und öko-
nomischen Strukturen der Massenmedien und der Frage nach den Implika-
tionen, die diese Strukturen für die Zirkulation von Kultur haben (Williams
1958). Das schließt die Berücksichtigung der politischen Ökonomie der Kultur-
produktion und Distribution mit ein (Garnham 1979; Masell 2004) und spezi-
fischer die Berücksichtigung der Werbebranche, die diese Unternehmungen
dominiert (Havens et al. 2009; Jenkins 2006; McChesney 2015). Schließlich
müssen wir auch betrachten, wie die Social-Media-Plattformen zunehmend
diese Rolle übernehmen (Burgess/Green 2013; Gillespie 2010; Napoli 2015;
Sandvig 2015; Vaidhyanathan 2012, van Dijck 2013); wie kulturelle Dynamiken
deren Inhalte prägen (Braun 2015a, 2015b; Holt/Perren 2009; Peterson/Anand
2004); und wir müssen auch die Arbeit der »kulturellen Vermittler« beachten,
welche die Erzeugung symbolischer Güter und Bedeutungen ermöglichen und
legitimieren (Bourdieu 1993; Downey 2014; Hesmondhalgh 2006; Neff 2012).
Diese Verbindung wird insbesondere von Morris in seiner Erörterung der »In-
formationsvermittler« explizit gemacht, in der er die Arbeit algorithmischer
Kuratoren (am Beispiel von Musikempfehlungssystemen) als in vielerlei Hin-
sicht analog zu jenen humanen Kulturvermittlern betrachtet, die Bourdieu im
Auge hatte.
Wie die Informationsmedien, war die Medienwirtschaft des 19. und 20.
Jahrhunderts – vom Buch- zum Zeitschriftenverlagswesen, vom Rundfunk
7 | Die Übersetzung dieses und aller weiteren Zitate aus Werken, von denen keine deut-
sche Übersetzung vorliegt, stammen von mir. A.d.Ü.
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik