Seite - 99 - in Algorithmuskulturen - Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
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3. #trendingistrending 99
Besonders heikle Diskussionen entbrannten um das Thema der Sichtbar-
keit von Rasse und einer Subpopulation auf Twitter, auf die Nutzer landläufig
mit »Black Twitter« verwiesen. Die Themen, die dieser Community wichtig
sind, erreichten nur selten den Schwellenwert, um von Twitters Algorithmus
anerkannt zu werden, und wenn sie das taten, haben sie xenophobische Re-
aktionen hervorgerufen.10 »Was haben diese Themen hier zu suchen?« – diese
Aufschreie der Entrüstung haben mit Annahmen darüber zu tun, wem das
»hier« gehört, und was passiert, wenn die Messung etwas anderes behauptet.
In diesen Reaktionen hallt die Panik um American Top 40 wieder, die aufkam
als Hiphop begann neben weißen Künstlern in den Charts aufzutauchen. Ge-
rade das Angebot eines öffentlichen Raumes, in dem die Popularität inmitten
einer gesamten Öffentlichkeit repräsentiert wird, obwohl die Konturen dieser
›Gesamtheit‹ opak und strittig sind, birgt das Potential für Debatten über die
Frage, wer an dieser Öffentlichkeit Teil hat – über konkurrierende Sub-Com-
munities mit eigener Öffentlichkeit und darüber, wer und was dort eine Reprä-
sentation wert ist.
schlussbetrachtung:
Wenn algorithmen Zu Kultur Werden
Trending-Algorithmen messen und sie geben und machen bekannt. Sie sind
daten-basiert und kalkulierend, und indem sie so verfahren, eröffnen sie mäch-
tige Hieroglyphen über einige ›Wir‹, einige Öffentlichkeiten, die selbst zum
Gegenstand der Diskussion werden können. Sie können bestaunt oder zurück-
gewiesen werden – so etwa, wenn man feststellt, dass eine schlechte Popband
gerade den ersten Platz von der geliebten Indie-Band übernommen hat. Tren-
ding-Algorithmen können zu kulturellen Objekten von Belang werden, und
das nicht allein für diejenigen, die Informationen produzieren und verbreiten,
sondern auch für diejenigen, die in ihnen die Widerspiegelung einer Öffent-
lichkeit sehen, an der sie selbst teilhaben. Mitunter werden sie dann zum In-
halt in und von sich selbst: Was messen sie, welche Öffentlichkeit stellen sie
dar, und wie sollten sie das tun?
Vielleicht ist die Frage danach, wie Algorithmen Kultur prägen die falsche,
oder sie ist falsch solange sie allein gestellt wird. Stattdessen, oder zumindest
10 | Farhad Manjoo: »How Black People Use Twitter«, in: Slate, 10. August 2010. http://
primary.slate.com/articles/technology/technology/2010/08/how_black_people_
use_Twitter.html (zuletzt aufgerufen am 26. Mai 2015); Lynne D. Johnson: »Reading
Responses to How Black People Use Twitter«, in: 14. August 2010. www.lynnedjohnson.
com/diary/reading_responses_to_how_black_people_use_twitter/index.html#com
ment-68768426 (zuletzt aufgerufen am 6. Mai 2015).
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik