Seite - 110 - in Algorithmuskulturen - Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
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Jean-Samuel Beuscart und Kevin
Mellet110
In diesem Kapitel folgen wir dieser nutzerzentrierten Perspektive, indem
wir die kollektiven Praktiken und die Reflektiertheit normaler Nutzer in den
Vordergrund stellen. Wir werden zeigen, dass die Autoren von Bewertungskri-
tiken sich nicht einer zügellosen Subjektivität hingeben, sondern in Hinblick
auf ein bestimmtes Zielpublikum und/oder eine bestimmte Webseite schrei-
ben. Es gibt gemeinsame Annahmen und Normen bezüglich des richtigen
Formats und Inhalts einer Meinung sowie Standards, die darüber bestimmen,
was einen Beitrag zu einem hilfreichen oder eine Bewertung zu einer rele-
vanten macht. All diese Standards kann man als Teil einer Bewertungskultur
im Sinne von MacKenzie beschreiben; außerdem wird die Entwicklung eines
neuen Bewertungs-Tools notwendigerweise begleitet vom Entstehen mehr
oder weniger kohärenter Methoden der Interpretation, von Lesepraktiken und
der Manipulation von Instrumenten. Statt uns auf Beiträger zu konzentrieren,
die in erster Linie Anerkennung suchen, oder auf Konsumenten, die sich von
ihrer Subjektivität leiten lassen, wollen wir die Figur eines durchschnittlichen
Nutzers, der reflektiert, sachkundig und mit den Dienstleistungen vertraut ist,
in den Mittelpunkt stellen. Zu diesem Zweck stützen wir uns auf eine Studie
über die Beiträger der Restaurantbewertungsseite LaFourchette (www.lafour
chette.com), ergänzt um kontextuelle Daten aus dem Netz sowie durch eine
Studie zu einer repräsentativen Auswahl von Kunden.
Der erste Teil dieses Kapitels präsentiert eine kurze Literaturübersicht mit
Schwerpunkt auf empirischen Untersuchungen zur Nutzung von Ratings und
Kritiken. Der zweite Teil widmet sich der Darstellung von LaFourchette und der
in dieser Studie verwendeten Methodik. Der dritte Teil legt das Augenmerk auf
die Motivation von Benutzern, die zu der Seite beitragen, vor allem dadurch,
dass sie die Bewertungen lesen und Konsumenten Ratschläge geben: Ihre Teil-
nahme ist in erster Linie durch eine befriedigende Leseerfahrung motiviert
und beeinflusst von einem bestimmten Verständnis vom kollektiven Werk,
das die Webseitennutzer gemeinsam vollbringen. Der vierte Teil beschreibt die
Standards, die die Bewertungskultur der Seite formal und inhaltlich gestalten,
und versucht in groben Zügen die Figur des durch solche Seiten ›sozialisier-
ten‹ Beiträgers zu umreißen.
ratings und reZensionen im einsatZ
und in der forschung
Wie und wo Ratings und Rezensionen zum Einsatz kommen
Nutzerbewertungen sind heutzutage ein standardisiertes, im Web allgegen-
wärtiges und vollständig in das Leben von Internetnutzern integriertes Werk-
zeug. Das von Amazon in den späten 1990ern eingeführte Format ermöglicht
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik