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4. Die Online-Stimmen von Verbrauchern in Form bringen 113
methodiK der studie Zu lafourchette
In diesem Kapitel stützen wir uns auf Interviews mit Beiträgern zu der Web-
seite www.lafourchette.com. Das qualitative Material wird ergänzt durch kon-
textuelle Daten aus dem Internet und durch die Ergebnisse einer Befragung
einer repräsentativen Stichprobe von Internetnutzern.1
LaFourchette ist eine Webseite (und mobile App) für Restaurant-Kritiken,
die 2007 in Frankreich ans Netz ging. Sie ist typisch für die zweite Generation
von Plattformen, die zwischen 2000 und 2008 auf den Markt kamen und sich
lokalen Waren und Dienstleistungen widmen (TripAdvisor, Yelp, Qype, Tellmew-
here usw.). Anders als die in den 1990er Jahren geschaffenen Online-Stadtfüh-
rer der ersten Generation (z.B. Citysearch in den USA, Cityvox in Frankreich)
sind die neueren Plattformen charakterisiert durch das Fehlen einer starken
zentralen Herausgeber-Autorität, durch die Partizipation von Internetnutzern
(sowohl als Konsumenten als auch als Anbieter), die die Inhalte erweitern und
gleichzeitig Orte und Waren bewerten, und durch eine algorithmische Modera-
tion der Ergebnisse a posteriori (Mellet u.a. 2014). So bildet die Partizipation der
Nutzer das Herzstück dieser Webseiten – und ihres Geschäftsmodells, das auf
die eine oder andere Weise auf der Monetarisierung des durch die Nutzer ge-
schaffenen Inhalts und Datenverkehrs beruht. Und die Seitenbetreiber geben
sich wirklich Mühe, das in Schwung zu halten und zu organisieren: zum einen
durch die Entwicklung spezifischer Werkzeuge, die die Partizipation fördern
sollen. Am weitesten verbreitet sind Anreizsysteme, die soziale Charakteristika
wie Nutzerprofilseiten, digitale Abzeichen zur Belohnung der produktivsten
Beiträger, interne Kommunikationswerkzeuge usw. mobilisieren. Solche Mit-
tel unterstützen die Tendenz, einzelne Mitwirkende herauszustellen und den
Rezensionen der fleißigsten Beiträger größeres Gewicht zu verliehen. Zum
anderen versuchen OCR-Webseiten die Beiträge in eine bestimmte Form zu
bringen, um ihnen Relevanz für die Zielgruppe und die anvisierte Branche zu
verleihen. Als Marktzwischenhändler entwerfen sie Werkzeuge, die Zusam-
menpassendes und Übereinstimmungen bevorzugen, indem sie Beitragende
dazu animieren, sich an bestimmte Formate zu halten. Durch ihre vorforma-
1 | Die Nutzerdaten für www.lafourchette.com und www.tripadvisor.fr (Anzahl der ge-
listeten Restaurants, Anzahl der Beitragenden und der Rezensionen) wurden mittels ad
hoc Methoden im Juli 2012 gewonnen (vgl. Mellet u.a. 2014). Die Datengewinnung und
-bearbeitung hat Thomas Beauvisage übernommen. Wir stützen uns auch auf eine Be-
fragung per Fragebogen, die im November 2013 von Orange Labs und Médiamétrie in
einer repräsentativen Stichprobe von französischen Internetnutzern (n=2500) durch-
geführt wurde. Diese quantitative Untersuchung konzentrierte sich sowohl auf das Be-
nutzen als auch auf das Verfassen von Online-Rezensionen und Ratings (Beauvisage/
Beuscart 2015).
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik