Seite - 114 - in Algorithmuskulturen - Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
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Jean-Samuel Beuscart und Kevin
Mellet114
tierten Input-Felder fordern sie die Nutzer dazu auf, bereits existierenden ge-
meinsamen Bewertungskriterien zu folgen.
Während bestimmte Features auf der Webseite und auch der Aufkauf
durch TripAdvisor 2014 LaFourchette stark in einem typischen partizipatori-
schen Online-Modell verankern, sind einige Benutzungsmöglichkeiten der
Seite ganz speziell, wie wir weiter unten noch sehen werden. LaFourchette ist
im Kern eine Software-Plattform mit eingebautem Reservierungssystems, das
von etwa 4200 französischen Restaurants genutzt wird (nach den Zahlen von
Juli 2012). Benutzer können durch die Seiten der teilnehmenden Restaurants
navigieren und Tische reservieren, sie können von Rabatten bestimmter Res-
taurants profitieren, die ihrerseits dadurch mehr Sichtbarkeit auf der Plattform
bekommen. Nach dem Essen bekommen Nutzer Einladungen per Email, eine
Bewertung und eine Kritik abzugeben. Diese Einladung zur Teilnahme ist
unserer Beobachtung nach der Hauptanreiz, denn zu der Zeit, als wir die Stu-
die durchführten, gab es keine weiteren Belohnungen für Beiträge, auch keine
ausgeklügelten Abzeichen – bis auf den unscheinbaren »Gourmet«-Status, den
man nach der zweiten Kritik, und den des »Gastronome«, den man nach der
zehnten Kritik bekommt. Des Weiteren ist das Bewertungsfeld auf der LaFour-
chette-Seite denen auf anderen Bewertungsseiten sehr ähnlich. Beitragende
werden zuerst aufgefordert, drei Kriterien auf einer Skala von eins bis zehn zu
bewerten: das Essen, der Service und das Ambiente. Die Einzelnote, die das
Restaurant erhält, ergibt sich aus der (öffentlich sichtbaren) Gewichtung der
drei Bewertungen. Dann werden die Beitragenden aufgefordert, ihre Meinung
in ein freies Textfeld zu schreiben. Dazu gibt es keine expliziten Anleitungen
oder Ratschläge und auch kein sichtbares Limit des Felds: »Es ist von der Länge
her nahezu endlos«, teilte uns ein LaFourchette-Manager mit.
Mehr als 642.000 Bewertungen gingen auf der Seite bis zum Juli 2012 ein,
im Durchschnitt 153 pro Restaurant. Während die große Mehrheit der 292.000
Beitragenden nur gelegentlich eine Rezension schrieb – 87,5 % hinterließen
drei Kritiken oder weniger –, ist eine bedeutende Anzahl von Nutzern aktiver:
13 % der Beitragenden posteten vier Kritiken oder mehr und kamen damit für
die Hälfte aller geposteten Kritiken auf; davon posteten 2,8 % zehn Kritiken
oder mehr. Und es gibt etwa 3.000 Nutzer (0,1 % aller Beiträger), die mehr als
50 Rezensionen hinterließen. In diesem Kapitel interessieren wir uns vor allem
für diese regelmäßigen Beitragenden.
Insgesamt haben wir 33 Personen interviewt, die auf eine Anfrage von
LaFourchette an eine zufällige Stichprobe von 100 Nutzern positiv reagierten.
Die 33 Personen setzen sich zusammen aus 21 sehr aktiven Beiträgern (mit
über 50 Kritiken auf der Seite) und 12 einigermaßen aktiven Beitragenden (10-
15 Kritiken). Die meisten waren auch Beiträger oder Besucher der Plattform
TripAdvisor, deshalb befragten wir sie dazu auch noch. Die Interviews dauerten
30-90 Minuten und fanden im November 2013 face-to-face statt (24) oder
Algorithmuskulturen
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Titel
- Algorithmuskulturen
- Untertitel
- Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
- Autor
- Robert Seyfert
- Herausgeber
- Jonathan Roberge
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3800-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 242
- Schlagwörter
- Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
- Kategorie
- Technik