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Algorithmuskulturen - Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
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4. Die Online-Stimmen von Verbrauchern in Form bringen 121 überfliegen Nutzer in der Regel 10-20 Kritiken – zusätzlich zu den anderen verfügbaren Informationen. Dabei lesen sie schnell, diagonal, auf der Suche nach Ähnlichkeiten, Mustern und hervorstechenden Merkmalen. Interview- partner sagten, am besten wäre es, wenn es zahlreiche Kritiken gäbe, vor allem solche, die zu ihren eigenen Kriterien passten; zusätzlich suchten sie oft ne- gative Meinungen heraus um festzustellen, welchen Stellenwert sie innerhalb des Gesamtmusters hätten. Im Großen und Ganzen werden negative Meinun- gen, von denen es ja für gewöhnlich weniger gibt, als situationsspezifisch er- achtet oder als Äußerung untypischer Kunden (»grantige Gäste, auf die gebe ich nicht viel«, sagte E10), es sei denn, die Kritik bezieht sich auf Hygiene: Ich bemühe mich, drei oder vier schlechte Kritiken anzuschauen und frage: »Okay, was ist hier los? Ist das ein Einzelfall? War die Bedienung schlecht drauf und führte zu der miesen Bewertung?« Schlechte Tage gibt es manchmal und dann läuft in der Küche alles schief. (E13) Wenn mir etwas auffällt, das in Restaurantkritiken immer wieder auftaucht und Hygiene oder Sauberkeit betrifft, dann ist das ein No-Go. (E1) So können wir auf der Basis der Leseerfahrungen der Beitragenden das bes- te Kritik-Format definieren: Rezensionen soll man rasch überfliegen können, um eine sich abzeichnende Einschätzung zu bestätigen oder ihr einen neu- en Aspekt hinzuzufügen. Gesucht wird also nicht die subjektive Bewertung eines spezifischen Nutzers, sondern ein Beitrag zu einer Einschätzung, die sich bereits aus zuvor gelesenen Kritiken geformt hat; entweder eine Bestäti- gung eines besonders hervorstechenden Merkmals oder eine kritische Nuance. In diesem Kontext »ist es ärgerlich, wenn da Rezensionen 10 Kilometer lang sind« (E11): Die besten Kritiken sind kurz, kommen zum Punkt und schmü- cken neue originelle Elemente der Bewertung nicht zu sehr aus. Allerdings weichen einige Interviewpartner (4 von 33 in unserer Stichpro- be) von diesem vorherrschenden Standard signifikant ab. Sie erkennen, dass »manchmal Kritiken ein bisschen arg lang sind, aber das macht mir nichts aus, solange es genug Platz gibt« (E21); sie geben an, dass sie »Essays schrei- ben« (E28). Besonders zwei von ihnen sind Nutzer mit einer besonderen Be- ziehung zum Schreiben: Einer ist Schriftsteller und die andere ist »in ihrer Familie für ihren prägnanten Stil« bekannt (E21). Diese Nutzer umgehen ver- mutlich aufgrund des hohen Werts, den sie ihrem Schreibstil zumessen, die Konventionen des Formats; vielleicht macht sie auch ihr Hang zur Kreativität anfällig dafür, in einer Webseite ein Forum für subjektive Ausdrucksformen zu sehen, während die meisten Nutzer diese Vorstellung und die damit ver- bundenen Praktiken ablehnen.
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Algorithmuskulturen Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
Titel
Algorithmuskulturen
Untertitel
Über die rechnerische Konstruktion der Wirklichkeit
Autor
Robert Seyfert
Herausgeber
Jonathan Roberge
Verlag
transcript Verlag
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3800-8
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
242
Schlagwörter
Digitale Kulturen, Medienwissenschaft Kultur, Media studies, Technik, Techniksoziologie, Kultursoziologie, Neue technologien, sociology of technology, new technologies, Algorithmus
Kategorie
Technik
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