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ALJ 1/2015 Eigentumsschutz und Verkehrsschutz bei Kunstgegenständen 21
B. Die Redlichkeit als Grenze der „Macht der Zeit“
Zentrale Erwerbsvoraussetzung bei der Ersitzung ist die Redlichkeit des Besitzers. Der Besitzer
muss im Zeitpunkt des Besitzerwerbs und während der gesamten Ersitzungszeit gutgläubig iSd
§ 326 ABGB sein127: Ersitzen kann daher nur, wer sich für den Eigentümer hält und zugleich der
Überzeugung ist, das Eigentum auf Grundlage eines gültigen Rechtstitels (etwa eines gültigen
Vertrages) erworben zu haben.128 Auch hier wird der gute Glaube gem § 328 S 2 ABGB vermu-
tet.129 Die Anforderungen an die Gutgläubigkeit sind im Einzelnen umstritten.130 Jedenfalls bei
Kunstgegenständen ist es sachgerecht, die zu §§ 367 und 368 ABGB gefundenen Ergebnisse
entsprechend heranzuziehen. Schon leichte Fahrlässigkeit schließt deshalb auch im Rahmen
der Ersitzung den Eigentumserwerb aus; zudem greifen auch hier Nachforschungsobliegenhei-
ten bei Verdachtsmomenten ein. So wird ein konsequenter Schutz der Eigentümerinteressen
gegenüber den Verkehrsinteressen auch bei der Ersitzung erreicht. Allerdings gilt es zu diffe-
renzieren: Zweifel über die eigene Berechtigung müssen sich weniger schnell aufdrängen,
wenn der Besitzerwerb erst einmal erfolgt ist. Dieser Aspekt lässt sich hinreichend als fakti-
scher Umstand bei der Subsumtion berücksichtigen.131 Eine explizite systematische Differen-
zierung (so dass nach Besitzerlangung nur grobe Fahrlässigkeit oder Kenntnis Gutgläubigkeit
hindern würde) würde de lege lata dem nicht differenzierenden Gesetzeswortlaut widerspre-
chen, auch wenn sie de lege ferenda begrüßenswert sein mag.
C. Zur Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs
Das ABGB setzt der Macht der Zeit eine wichtige Grenze, indem es Eigentumsschutz auch
durch die Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs verwirklicht. Auch wenn die §§ 1459 und
1479 ABGB nicht völlig eindeutig formuliert sind, besteht Einigkeit darüber, dass der Vindikati-
onsanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer nicht verjährt – egal, wie lange er schon
besteht.132 So vermeidet das ABGB, dass Besitz und Eigentum dauerhaft auseinanderfallen.
Zudem berücksichtigt es, dass im Vindikationsanspruch eine zentrale Konkretisierung des auch
verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechts liegt. Zugleich vermeidet das österreichi-
sche Privatrecht die schwierigen dogmatischen Folgefragen, die sich aus dem „Eigentum ohne
Sachherrschaft“
127 Etwa M. Bydlinski in Rummel, ABGB II/33 § 1463 Rz 1; Gusenleitner-Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang ³ § 1463
Rz 9; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB VI3 § 1463 Rz 1, 3.
128 Siehe nur Gusenleitner-Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang ³ § 1477 Rz 5; R. Madl/Perner in Kletečka/ Schauer,
ABGB-ON1.01 § 1477 Rz 1; Meissel in KBB4 § 1477 Rz 1.
129 Etwa Gusenleitner-Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang ³ § 1463 Rz 1, 18, § 1477 Rz 6; Mader/Janisch in Schwi-
mann/Kodek, ABGB VI3 § 1452 Rz 1, § 1463 Rz 8.
130 Siehe schon oben III.D.; vgl ferner RIS-Justiz RS0010184; RIS-Justiz RS0010189; Eccher/Riss in KBB4 § 326 Rz 1;
Grüblinger in Schwimann/Kodek, ABGB II4 § 326 Rz 1; Gusenleitner-Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang ³ § 1463
Rz 3; Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang ³ § 326 Rz 10, 16 mwN; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01
§ 1463 Rz 1; Spielbüchler in Rummel, ABGB I3 § 326 Rz 2; Iro, Sachenrecht5 Rz 2/21; Koziol – Welser/ Kletečka, Bür-
gerliches Recht I14 Rz 828.
131 Vgl etwa M. Bydlinski in Rummel, ABGB II/33 § 1463 Rz 1; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB VI3 § 1463 Rz 3;
Perner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 1463 Rz 4. Klang in Klang VI2 (1951) 581 (Nachträgliche Schlechtgläubig-
keit erst bei positiver Kenntnis); ebenso Spielbüchler in Rummel, ABGB I3 § 326 Rz 2; Iro, Sachenrecht5 Rz 2/23.
132 Siehe nur M. Bydlinski in Rummel, ABGB II/33 § 1459 Rz 1; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB VI3 § 1459 Rz 1;
Meissel in KBB4 § 1459 Rz 1; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 1459 Rz 1; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/
Vonkilch, Klang ³ § 1459 Rz 2 f, § 1479 Rz 6; P. Bydlinski, Allgemeiner Teil6 Rz 3/33.
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Austrian Law Journal
Band 1/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 188
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal