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ALJ 1/2015 Stefan Börger 144
Wesentlich ist nach wie vor Art 23d B-VG bzw die bereits 1992 in Hinblick auf den EWR abge-
schlossene Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15a B-VG über die
Mitwirkungsrechte der Länder und Gemeinden in Angelegenheiten der europäischen Integration.3
Die darin vorgesehenen, in der Praxis bedeutsamsten Inhalte sind einerseits Informationsrechte
der Länder gemäß Art 23d Abs 1 B-VG sowie Mitwirkungsmöglichkeiten an der österreichischen
Haltung in EU-Angelegenheiten gemäß Abs 2 und andererseits die zentrale Regelung der Durch-
führungsverpflichtung von Unionsrecht durch die Länder in Art 23d Abs 5 B-VG verbunden mit
der Devolutionsregelung an den Bund nach einer entsprechenden Entscheidung des Gerichts-
hofs, um dem Bund die ErfĂĽllung der unionsrechtlichen Verpflichtung als Angelegenheit der Repub-
lik Österreich zu ermöglichen.4
In der Praxis haben sich diese Regelungen bewährt, auch wenn sie in unterschiedlicher Intensität
angewandt werden:
Die Informationspflicht des Bundes gegenüber den Ländern funktioniert grundsätzlich umfas-
send und ohne Schwierigkeiten. Der Umstand, dass die Informationen durch den Bund mitunter
so kurzfristig vor Sitzungen in Brüssel erfolgen, dass eine Stellungnahme durch die Länder kaum
noch möglich ist, ist wohl tatsächlich im Regelfall auf die Kurzfristigkeit der Abläufe in Brüssel
zurückzuführen und nicht auf ein Versäumnis des Bundes.
Rechtliche Fragen tun sich beispielsweise dann auf, wenn die verfassungsrechtliche Informati-
onspflicht des Bundes mit Geheimhaltungsvorschriften und Regelungen ĂĽber Dokumentenma-
nagement auf EU-Ebene kollidiert, wie dies beispielsweise im Falle der Verhandlungen zum Frei-
handelsabkommen EU-USA (TTIP) der Fall ist. Insbesondere Art 339 AEUV ĂĽber Geheimhaltungs-
pflichten sowie der Beschluss des Rates ĂĽber den Schutz von EU-Verschlusssachen5 stehen aus
Bundessicht – wohl zurecht – einer gewohnten Informationsweitergabe an die Länder im Wege
der Verbindungsstelle der Bundesländer entgegen, während die Länder in diesem Zusammen-
hang – etwa im Rahmen von Stellungnahmen der Landesamtsdirektorenkonferenz und einheitli-
chen Länderstellungnahmen – darauf hinweisen, dass nur bei einer vollständigen Information
auch die Entscheidung darüber getroffen werden kann, ob Stellungnahmen der Länder erforder-
lich sind.
Zur Mitwirkung der Länder an EU-Angelegenheiten durch Stellungnahmen an den Bund hat sich
das verfassungsrechtlich vorgesehene System ebenfalls gut etabliert. Mit Stichtag 1. 1. 2015 ha-
ben die Länder 97 einheitliche Länderstellungnahmen gemäß Art 23d Abs 2 B-VG beschlossen,
die für den Bund verbindlich sind – von Fragen des Liegenschaftserwerbs aus dem Jahr 1993 bis
zum TTIP von Mitte 2014.
Dabei gibt es nur vier dokumentierte Abweichungen des Bundes von diesen bindenden Stellung-
nahmen aus „zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen“ iSd Art 23d Abs 2 letzter
Satz B-VG. Die in diesen Fällen vorgebrachten Begründungen des Bundes erscheinen jedoch die
3 BGBl 775/1992 idF BGBl I 2/2008; in der Steiermark LGBl 58/1992.
4 Die in Art 23d Abs 3 B-VG vorgesehene Möglichkeit der Ratsteilnahme eines Mitglieds einer Landesregierung
wird nicht wahrgenommen – lediglich im Rahmen einer informellen Ratstagung kam es bislang zu einer Teil-
nahme eines Landesvertreters; fĂĽr diese Information danke ich Priv.-Doz. Dr. Klemens Fischer, Leiter der Abtei-
lung Länderangelegenheiten bei der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU.
5 Beschluss des Rates vom 31. 3. 2011 ĂĽber die Sicherheitsvorschriften fĂĽr den Schutz von EU-Verschlusssachen
(2011/292/EU), ABl L 141 vom 27. 5. 2011.
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Austrian Law Journal
Band 1/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 188
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal