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ALJ 1/2015 Beatrix Karl 162
dung auf EU-Ebene fällt und hat damit ein starkes Mitwirkungsrecht in EU-Angelegenheiten. Eine
solche Stellungnahme kann auch verbindlich sein. Dann darf der zuständige Bundesminister bzw
der Bundeskanzler nur aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen davon ab-
weichen und muss diesbezüglich Rücksprache mit dem Parlament halten. In der parlamentari-
schen Praxis werden anstelle von Stellungnahmen auch bloße Empfehlungen, sog Ausschussfest-
stellungen, beschlossen, die nicht rechtlich bindend sind.
Mit dem Vertrag von Lissabon und der dazu ergangenen Lissabon-Begleitnovelle sind noch wei-
tere Mitwirkungsmöglichkeiten des österreichischen Parlaments hinzugekommen, wie zB die
bereits dargestellte Abgabe von begründeten Stellungnahmen bei Annahme eines Verstoßes
gegen das Subsidiaritätsprinzip, die Möglichkeit, sich mit sonstigen Stellungnahmen oder Mittei-
lungen direkt an die EU-Organe zu wenden, um zu einem bestimmten EU-Vorhaben seinen
Standpunkt zu kommunizieren, oder die Möglichkeit, beim EuGH eine Subsidiaritätsklage zu er-
heben.
Im Nationalrat kommen die Zuständigkeiten zur Abgabe begründeter Stellungnahmen (Art 23g
B-VG), sonstiger Stellungnahmen (Art 23e B-VG) sowie von Mitteilungen (Art 23f Abs 4 B-VG)
grundsätzlich dem Hauptausschuss zu, der endgültig, dh ohne Befassung des Plenums, über
diese Angelegenheiten entscheidet und sich aus 26 Mitgliedern zusammensetzt (Art 23k Abs 2
B-VG). Entsprechend Art 23k Abs 2 B-VG und der Geschäftsordnung des Nationalrats hat jedoch
der Hauptausschuss einen aus 16 Mitgliedern bestehenden Ständigen Unterausschuss in Ange-
legenheiten der Europäischen Union gewählt, dem er diese Zuständigkeiten übertragen hat. Für
grundlegende Themen und Fragestellungen betreffend die EU bleibt der Hauptausschuss jedoch
weiter zuständig. Dies gilt zB für geplante Änderungen der EU-Verträge und Themen, die auf der
Tagesordnung des Europäischen Rates oder anderer formeller und informeller Gremien der
Staats- und Regierungschefs (etwa der Euro-Gruppe) stehen. Im Bundesrat werden diese Zustän-
digkeiten von seinem EU-Ausschuss wahrgenommen, der sich aus 14 Mitgliedern zusammensetzt
(§§ 13a und 13b GO-BR). Bevor die Debatte über ein EU-Vorhaben beginnt, wird in der Regel dem
anwesenden Mitglied der Bundesregierung die Gelegenheit zu einer einleitenden Stellungnahme
gegeben (§ 31d Abs 2 GOG-NR und § 13b Abs 6 GO-BR). Dies dient zur Information der Aus-
schussmitglieder über den aktuellen Verhandlungsstand und über die österreichische Position
dazu. Während der Debatte kann jedes Ausschussmitglied Anträge einbringen, über die am Ende
der Diskussion abgestimmt wird (§ 31d Abs 3 GOG-NR und § 13b Abs 7 GO-BR). Die in Österreich
gewählten Mitglieder des EU-Parlaments können mit beratender Stimme an den Sitzungen dieser
Ausschüsse teilnehmen (§ 31c Abs 9 GOG-NR und § 13b Abs 4 GO-BR). Sitzungen des Hauptaus-
schusses in Angelegenheiten der EU und seines EU-Unterausschusses sowie des EU-Ausschusses
des Bundesrats sind grundsätzlich öffentlich, Bild- und Tonaufnahmen sind zulässig (§ 31c Abs 7
GOG-NR und § 13b Abs 3 GO-BR). Die Beratungen der EU-Ausschüsse des Nationalrates und des
Bundesrates werden durch Beratungen in den jeweiligen Fachausschüssen und in den Plenarsit-
zungen des Nationalrates bzw des Bundesrates ergänzt. So werden zB die von jedem Bundesmi-
nister vorzulegenden Berichte über die in diesem Jahr zu erwartenden EU-Vorhaben („EU-
Jahresvorschauen“) entweder in den jeweiligen Fachausschüssen abschließend beraten oder dem
Plenum zur Diskussion weitergeleitet. In den Fachausschüssen können auch „Aktuelle Ausspra-
chen zu EU-Themen“ auf die Tagesordnung gesetzt werden, in der an den fachlich zuständigen
Bundesminister Fragen zu EU-Themen gestellt werden und dieser dazu Auskunft zu geben hat.
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Austrian Law Journal
Band 1/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 188
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal