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ALJ 1/2016 Waldemar Hummer 8
Abs 2 AEUV, einen Raum ohne Binnengrenzen aufzubauen, in dem der freie Personenverkehr
gewährleistet ist. Gemäß Art 67 Abs 2 AEUV hat die EU eine gemeinsame Politik in den Bereichen
Asyl, Einwanderung und Kontrollen an den Außengrenzen zu entwickeln, die sich auf die Solidarität
der Mitgliedstaaten gründet und gegenüber Drittstaatsangehörigen sowie Staatenlosen ange-
messen ist. Dementsprechend muss die Schaffung eines Raums des freien Personenverkehrs von
flankierenden Maßnahmen begleitet werden. Dazu gehört die in Art 77 Abs 1 lit b AEUV vorgese-
hene gemeinsame Politik bezüglich des Überschreitens der Außengrenzen.38
Gemäß Art 78 Abs 1 AEUV wiederum hat die EU eine gemeinsame Politik im Bereich „Asyl, sub-
sidiärer Schutz und vorübergehender Schutz“ auszugestalten, mit der jedem Drittstaatsangehöri-
gen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung
des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung („Non-Refoulement“)39 gewährleistet werden soll, so
wie dies in der Genfer Flüchtlingskonvention (1951) und dem einschlägigen New Yorker Protokoll
(1967) verankert ist.
Gemäß Art 79 AEUV hat die EU aber auch eine gemeinsame Einwanderungspolitik zu entwickeln, die
in allen Phasen eine wirksame Steuerung der Migrationsströme sowie die Verhütung und Bekämp-
fung von illegaler Einwanderung und Menschenhandel, insbesondere mit Frauen und Kindern,
gewährleisten soll. Im Gegensatz zur Flüchtlings- und Asylpolitik bestehen für die einzelnen Staaten
bei der Migrations- oder Einwanderungspolitik grundsätzlich keine völkerrechtlichen Vorgaben,
sodass die einzelnen Staaten ihre jeweilige Einwanderungspolitik diesbezüglich ad libitum ausge-
stalten können – und es auch tun.40 Sie haben nur die Vorgaben zu beachten, die im Rahmen der
gemeinsamen Einwanderungspolitik der EU unionsrechtlich beschlossen wurden.
Bei all diesen Kompetenzzuweisungen der Mitgliedstaaten an die EU in den Bereichen Flüchtlings-
und Migrationsangelegenheiten handelt es sich aber um keine ausschließlichen Kompetenzen der-
selben, sondern lediglich um zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten geteilte Kompetenzen iSv
Art 4 Abs 2 lit j AEUV („Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“). Trotzdem ist die EU
aufgerufen, für sich eine konsistente Migrations- und Asylpolitik, samt einem effektiven Schutz
der Schengen-Außengrenzen, auszubilden, was sie Schritt für Schritt auch durch die Ausarbeitung
eines „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS)41, eines „Schengener Grenzkodex“42 sowie
einer „Europäischen Migrationsagenda“43 uvm versuchte.
IV. Kategorien des „internationalen Schutzes“ aus der Sicht der EU
Der „internationale Schutz“ wird innerhalb der EU und auf der Basis von deren sekundärrechtlichen
Regelungen wie folgt gewährt. Der internationale Schutz gemäß der Definition in Art 2 lit h der
„Anerkennungs“-RL 2011/95/EU des Rates44 schließt Anträge auf Verleihung des Flüchtlingsstatus
oder auf subsidiären Schutzstatus ein. Dazu kommt noch die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis
aus humanitären Gründen, die allerdings auf der Grundlage des nationalen Rechts vergeben wird.
38 Vgl dazu nachstehend zum Einreise/Ausreise-System (EES) auf 16 f.
39 Im Sinne von Art 33 Abs 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (1951) und des Art 19 Abs 2 GRC.
40 Für einen ersten Vergleich der Einwanderungspolitiken einzelner Länder siehe Staudinger/Treichler, Wie abweisend
ist die „Festung Europa“? Ein Vergleich, profil.at vom 30. 3. 2016.
41 Oben Fn 7.
42 Oben Fn 28.
43 Oben Fn 8.
44 Oben Fn 7.
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Austrian Law Journal
Band 1/2016
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2016
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 110
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal