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ALJ 1/2016 Waldemar Hummer 10
bzw 8 %) und aus dem Irak (23.700 bzw 7 %). Von den Syrern, die in der EU den Schutzstatus
erhielten, wurden mehr als 60 % (104.000) in Deutschland registriert.
Obwohl über 90 % aller syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern aufgenommen wurden – so
leben zB im Libanon, einem Land nicht größer als das österreichische Bundesland Tirol, neben
den 4,4 Mio Einheimischen derzeit über eine Mio Flüchtlinge – war der Zustrom von illegalen
syrischen Flüchtlingen und Migranten über die Ägäisroute, und in der Folge über die Westbalkan-
route, Ende 2015/Anfang 2016 dramatisch hoch und veranlasste die EU am 18. 3. 2016 die vor-
erwähnte Übereinkunft mit der Türkei48 zu schließen, um eine Rückführung derselben nach der
Türkei sicherzustellen. Diese besteht in einem „1:1“-Umsiedlungsverfahren, bei dem für jeden ille-
gal nach Griechenland eingereisten Syrer, der aus diesem Land in die Türkei zurückgestellt wird,
im Gegenzug ein sich in einem Lager in der Türkei befindlicher syrischer Kriegsflüchtling von der
EU bzw einem ihrer Mitgliedstaaten übernommen wird. Diese „1:1“-Übernahme ist allerdings mit
72.000 Personen limitiert. Allein seit Jahresbeginn 2016 kamen bis Mitte April aber bereits
153.000 Flüchtlinge und Migranten über die Balkanroute, 24.000 Personen über die Mittelmeer-
route und 640 über die westliche Route in die EU.49
Obwohl in den Erwägungsgründen des (kodifizierten) Schengener Grenzkodex (2016) expressis
verbis darauf hingewiesen wird, dass „Migration und das Überschreiten der Außengrenzen durch
eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen nicht an sich als Gefahr für die öffentliche Ordnung
oder die innere Sicherheit betrachtet werden sollte“50, wird in diesem Zusammenhang darauf
hingewiesen, dass – aufgrund der massenhaften Sekundärmigration, verbunden mit dem Ver-
dacht, dass sich unter die Flüchtlinge und Migranten auch Terroristen gemischt haben könnten –
aus diesem Grund „die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen im Ausnahme-
fall geboten sein (könnte)“.51
VI. Notlagen aufgrund eines plötzlichen Zustroms von Drittstaats-
angehörigen und der Versuch von deren Behebung durch
Um- und Neuansiedlung
Art 78 Abs 3 AEUV enthält eine spezielle Rechtsgrundlage für den Umgang mit Notlagen aufgrund
eines plötzlichen Zustroms von Drittstaatsangehörigen. Auf Vorschlag der Kommission und nach
Anhörung des Europäischen Parlaments kann der Rat vorläufige Maßnahmen zugunsten eines
oder mehrerer Mitgliedstaaten ergreifen. Diesbezüglich hat der Rat bereits im September 2015
zwei Beschlüsse im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland
erlassen, mittels derer diese beiden vom Flüchtlingsstrom hauptsächlich betroffenen Länder mit
einer Schengen-Außengrenze, durch Umverteilungsregelungen von Flüchtlingen auf andere Mit-
gliedstaaten entlastet werden sollten. So sollen durch den Beschluss (EU) 2015/1523 des Rates52
40.000 Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von Italien und
Griechenland aus auf andere EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Gemäß dem Beschluss (EU)
48 Vgl dazu oben Fn 15.
49 Vgl Roser/Streihammer, Bulgarien wird zum neuen Einfallstor in die EU, Die Presse vom 21. 4. 2016, 3.
50 Erwägungsgrund 26 Schengener Grenzkodex (Kodifizierter Text) ABl L 2016/77, 1 ff.
51 Vgl dazu den Erwägungsgrund 25 des Schengener Grenzkodex (Kodifizierter Text) ABl L 2016/77, 1 ff.
52 Beschluss (EU) 2015/1523 des Rates vom 14. 9. 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des
internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland; ABl L 2015/239, 146 ff.
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Austrian Law Journal
Band 1/2016
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2016
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 110
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal