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ALJ 1/2016 Waldemar Hummer 22
hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits Mitte 2013 entschieden,
dass eine bloße Prüfung der Verletzung des „Non-Refoulement“-Gebots durch Polizeibehörden,
die keiner weiteren asylrechtlichen Überprüfung mehr unterliegt, nicht als effektiver Rechtsbe-
helf iSv Art 13 EMRK anerkannt werden kann.109 Abschließend weist das UNHCR erneut auf die
negative Vorbildwirkung Österreichs hin und warnt vor einer möglichen Kettenreaktion in anderen
Staaten.110
Was die Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten der EU und der Türkei vom 18. 3. 2016 über
die Rückführung von syrischen Kriegsflüchtlingen, die – über die Ägäisroute kommend – nach
dem 20. 3. 2016 auf griechischen Inseln angelandet sind und ab dem 4. 4. 2016 in die Türkei zu-
rückgestellt werden sollen, betrifft, ist Skepsis angebracht, ob diese überhaupt operativ gestellt und
der durch sie hervorgerufene Verwaltungsaufwand entsprechend bewältigt werden kann.111 So
sind laut Angaben der Kommission bis Mitte April 2016 erst 325 illegale Migranten aus Griechen-
land in die Türkei zurückgestellt, dafür im Gegenzug aber nur 113 Syrer in einigen EU-Mitglied-
staaten (Großbritannien, Niederlande, Deutschland und Finnland) übernommen worden.112
Trotzdem spricht die Kommission in diesem Zusammenhang davon, dass die Zusammenarbeit
mit der Türkei „gute Fortschritte“ macht.113
Für ein ordnungsgemäßes Funktionieren dieser Übereinkunft, müsste zum einen Griechenland
die Türkei als „sicheren Drittstaat“ anerkennen,114 was es aus politischen Gründen aber nicht
expressis verbis erklären will. In der von der griechischen Regierung am 30. 3. 2016 in das Parla-
ment eingebrachten Gesetzesvorlage (mit 89 Artikeln) wird weder die Türkei noch ein anderer
(Balkan)Staat ausdrücklich als „sicherer Drittstaat“ für die Zurückstellung von Flüchtlingen ge-
nannt. In Art 57 des Gesetzesentwurfs werden dafür als „sichere Herkunftsländer“ alle Staaten
bezeichnet, die „auf der betreffenden Liste des EU-Rates115 aufgeführt“ seien.116 Darüber hinaus
klagen sowohl Amnesty International (ai), als auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Natio-
nen (UNHCR), die Türkei offen an, Flüchtlinge systematisch nach Syrien abzuschieben, was einen
flagranten Bruch des vorstehend erwähnten „non refoulement“-Prinzips bedeuten würde.117 Mit
auch aus diesem Grund kündigte das UNHCR an, sich aus den griechischen „Hotspots“, in denen
109 EGMR 6. 6. 2013, 2283/12, Mohammed/Austria Rz 83 ff.
110 Vgl Alarmierende Änderungen im österreichischen Flüchtlingsschutz geplant; abrufbar unter: http:www.unhcr.at/
presse/pressemitteilungen/artikel/d3ec3a9914ed0dd212109d9710 (26. 4. 2016).
111 Vgl auch Menschenrechte von Flüchtlingen und Migranten – die Lage auf dem Westbalkan, Bericht des Ausschusses
für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Dok 14013,
vom 4. 4. 2016.
112 Europäische Kommission, Bewältigung der Flüchtlingskriese: Bericht der Kommission über die Umsetzung der
Erklärung EU-Türkei, Pressemitteilung IP/16/1444, vom 20. 4. 2016; vgl: Uneins bei Aufnahme von Syrern, Der
Standard vom 22. 4. 2016, 10; vgl: Erst 103 syrische Flüchtlinge umgesiedelt, Der Standard vom 21. 4. 2016, 6.
113 Flüchtlingskrise: Zusammenarbeit mit der Türkei macht gute Fortschritte; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/
germany/news/fl%C3%BCchtlingskrise-zusammenarbeit-mit-der-t (26. 4. 2016).
114 Vgl dazu die beiden Gutachten, gemäß derer die Türkei gegenwärtig kein sicheres Drittland darstellt, in das
Flüchtlinge zurückgestellt werden können; R. Marx, Rechtsgutachten zur Frage, ob die Türkei als „sicherer Dritt-
staat“ eingestuft werden kann, erstellt am 29. 2. 2016 für Pro Asyl; Roman/Baird/T. Radcliffe, Analysis – Why Turkey
ist Not a „Safe Country“, Gutachten, erstellt im Februar 2016 für StateWatch.
115 Vgl dazu das Gutachten der Europäischen Grundrechteagentur (FRA), Opinion of the European Union Agency for
Fundamental Rights concerning an EU common list of safe countries of origin, FRA Opinion – 1/2016 (SCO), Vienna,
23 March 2016.
116 Batzoglou, Pufferzone Hellas, Wiener Zeitung vom 2./3. 4. 2016, 3.
117 Vgl Amnesty: Ankara schiebt massenhaft Syrer ab, Der Standard vom 2./3. 3. 2016, 11.
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Austrian Law Journal
Band 1/2016
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2016
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 110
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal