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Austrian Law Journal, Band 1/2016
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ALJ 1/2016 Erlebt Schengen eine „Renaissance“ oder geht es unter? 23 die Ersterfassung und „Sortierung“ der Flüchtlinge und Migranten abgewickelt werden soll, zu- rückziehen zu wollen.118 Zum anderen ist die maximale „1:1-Umsiedlungsquote“ mit 72.000 Syrern viel zu gering bemes- sen, als dass sie eine dauerhafte Entlastung bringen könnte. Dazu kommt aber noch die wach- sende Kritik an den gegenwärtigen innenpolitischen Verhältnissen in der Türkei unter Präsident Recep Erdogan119, bei denen keinesfalls die von der EU in ihrem Art 2 EUV geforderten gemein- samen Werte120 berücksichtigt werden. Damit setzen sich aber die EU und ihre Mitgliedstaaten der Kritik aus, mit einem Drittstaat, der ihren Wertekatalog nicht achtet, anlassbedingt eine Übereinkunft zu treffen, um ein sonst von ihr nicht zu bewältigendes Problem zu lösen. Die Kritik an dieser Vorgangsweise in den Medien ist unübersehbar, wie nachstehende Zitate belegen: „Nach diesem interessengetriebenen Deal mit der Türkei können die Europäer nicht mehr in aller Welt als Moralapostel auftreten“.121 „Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten laufen Gefahr, ihre eigenen Grundwerte und Normen zu verraten“122 uam. Der im Sommer zu erwartende neuerliche Massenansturm von Flüchtlingen und Migranten – allein in Libyen warten gegenwärtig mehr als 800.000 Personen123, oder sogar bis zu einer Million124 auf ihre Überfahrt über die zentrale südliche Mittelmeerroute125 von Libyen nach Italien – wird die „Nagelprobe“ für das Funktionieren der EU-Türkei–Übereinkunft zum Austausch von syrischen Kriegsflüchtlingen werden. Sollte die Übereinkunft diese Bewährungsprobe nicht bestehen und damit der Abbau der unilateral verfügten mehrfachen Binnengrenzkontrollen nicht, wie von der Kommission in ihrem „Fahrplan“ vorgeschlagen, bis zum Jahresende 2016 möglich sein, ist mit einem totalen Zusammenbruch des „Schengen“-Systems zu rechnen. Welche Kosten ein solcher Kollaps verursachen könnte, ist zwar ansatzweise für den ökonomischen Bereich berechnet wor- den, steht aber für den politischen noch aus. Ein Scheitern von Schengen wäre tatsächlich der Anfang vom Ende des europäischen Integrationsprojekts126. Sollte in der Folge aber auch dieses scheitern, dann würden düstere Zeiten hereinbrechen, die einen Autor sogar so weit gehen lassen, festzustellen: „Ohne EU stürzt die Welt ins Chaos.“127 118 UNHCR redefines role in Greece as EU-Turkey deal comes into effect, Briefing Notes, 22 March 2016; abrufbar unter: http://www.unhcr.org/56f10d049.html (26. 4. 2016). 119 Vgl dazu Jungbluth, Regierungskritischen Journalisten wird der Prozess gemacht, Kurier vom 26. 3. 2016, 6; Keine Medien und Erdogan als Co-Kläger, Der Standard vom 26./27./28. 3. 2016, 11. 120 Vgl dazu W. Hummer, Die gemeinsame Wertebasis in der EU. Vertikales und horizontales „Kongruenz- und Ho- mogenitätsgebot“, in J. W. Pichler (Hrsg), Rechtswertestiftung und Rechtswertebewahrung in Europa (2015), 65 ff. 121 Föderl-Schmid, Der geopferte moralische Anspruch, Der Standard vom 26./27./28. 3. 2016, 40. 122 Kessler, Erzwungene Migration und die Türkei als „Torwächter“ der EU, abrufbar unter: http://www.europe-infos.eu/ erzwungene-migration-und-die-tuerkei-als-torwaechter-der-eu (26. 4. 2016). 123 Aussage von Frankreichs Innenminister Jean-Yves Le Drian, zitiert nach Kim Son Hoang, Zurück zur gefährlichen Mittelmeerroute, Der Standard vom 29. 3. 2016, 2; vgl auch M. Gehlen, Neue Fluchtwelle aus Libyen, Die Presse vom 25. 3. 2016, 8; Libyen: 800.000 Migranten warten auf die Überfahrt, Der Standard vom 25. 3. 2016, 8. 124 Laut Angaben der Regierung in Tripolis gegenüber der „Wiener Zeitung“, zitiert nach P. Ramsauer, Das nächste Syrien, Wiener Zeitung vom 26./27. 3. 2016, 5. 125 In den ersten drei Monaten des Jahres 2016 setzten bereits 18.234 „boat-people“ von Libyen nach Süditalien über, 80 % mehr als im Vergleichszeitraum 2015, als bloß 10.165 Personen in Italien anlandeten; vgl: Schlepper schmuggeln wieder Flüchtlinge nach Italien, Die Presse vom 2. 4. 2016, 6; Hunderte Tote im Mittelmeer, Die Presse vom 19. 4. 2016, 1. 126 Vgl oben Fn 3. 127 Aussage von Colin Crouch im Interview mit Colette M. Schmidt, Ohne EU stürzt die Welt ins Chaos, Der Standard vom 2./3. 4. 2016, 3.
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Austrian Law Journal Band 1/2016
Titel
Austrian Law Journal
Band
1/2016
Autor
Karl-Franzens-Universität Graz
Herausgeber
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Ort
Graz
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
19.1 x 27.5 cm
Seiten
110
Schlagwörter
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Kategorien
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