Seite - 30 - in Austrian Law Journal, Band 1/2016
Bild der Seite - 30 -
Text der Seite - 30 -
ALJ 1/2016 Transeuropäische Netze: Staatliche Planung im österreichischen Starkstromwegerecht 30
für eine überregionale62 elektrische Leitungsanlage für Starkstrom zu erteilen, wenn diese dem
öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder eines Teiles derselben mit
elektrischer Energie nicht widerspricht.63 Das öffentliche Versorgungsinteresse liegt in der ausrei-
chenden, sicheren und zuverlässigen sowie preiswerten Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ
hochwertigem Strom.64 Das Verfahren nach dem StWG 1968 umfasst dabei ausschließlich den
vom Projektwerber eingereichten Gegenstand;65 auch mit gem § 7 Abs 1 Satz 2 StWG 1968 zu
erteilenden Auflagen kann nicht projektändernd eingegriffen werden. Diese haben sich in einem
engen Rahmen zu bewegen und können etwa technische Modifikationen, keinesfalls aber schwere
Eingriffe in das Projekt wie zB die Änderung des Trassenverlaufs oder ähnliches enthalten.66 Da
auch die in Satz 3 leg cit aufgetragene „Abstimmung“ mit bereits vorhandenen oder bewilligten
Anlagen und mit den Erfordernissen anderer Rechtsmaterien wie der Landeskultur, dem Forst-
wesen, der Raumplanung, dem Naturschutz ua nach Judikatur und Literatur lediglich zu Auflagen
und nie zur Abweisung des eingereichten Projekts führen kann,67 hat der Projektwerber bei Vor-
liegen des öffentlichen Energieversorgungsinteresses Rechtsanspruch auf Erteilung der stark-
stromwegerechtlichen Bewilligung.68 Entgegenstehen können einem solchen Rechtsanspruch
nach der stRsp des VwGH allenfalls gegenläufige Interessen eines von der Leitungsführung unmit-
telbar betroffenen Grundstückseigentümers oder sonstigen dinglichen Berechtigten am Schutz
seiner Gesundheit oder seines verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentums.69 Die Ex-lege-
Zuerkennung des öffentlichen Versorgungsinteresses durch die TEN-E-VO ist insofern im stark-
stromwegerechtlichen Genehmigungsverfahren von überragender Bedeutung. Der Spielraum
62 Das StWG 1968 behandelt nur Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken. Bloß
regionale Stromleitungen fallen in den Anwendungsbereich der Starkstromwegegesetze der Länder (siehe zB das
Gesetz vom 10. 11. 1970 über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf den Bereich des Bundeslandes Steiermark
erstrecken [Steiermärkisches Starkstromwegegesetz 1971], LGBl 1971/14), die als Ausführungsgesetze zum Bundes-
Grundsatzgesetz (Bundesgesetz vom 6. 2. 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder
mehrere Bundesländer erstrecken, BGBl 1968/71) erlassen wurden. Da sich die Regelungen für überregionale
und regionale Leitungsanlagen jedoch weitgehend entsprechen, gelten die nachfolgenden Ausführungen zum
Bundes-StWG – soweit nichts Abweichendes festgestellt wird – sinngemäß auch für die Starkstromwegegesetze
der Länder.
63 Dieses Nicht-Widersprechen ist nach der Judikatur verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die
Behörde zu prüfen hat, ob das eingereichte Projekt dem öffentlichen Interesse entspricht – und nicht nur bloß
nicht widerspricht; die gegenständliche Leitungsanlagen muss die Versorgungssituation also verbessern; vgl
Beschluss des VfGH 6. 6. 2005, B 509/05 (wiedergegeben in VwGH 4. 3. 2008, 2005/05/0281) sowie VwGH 21. 5.
1959, 1019/1020/56.
64 Vgl VwGH 4. 3. 2008, 2005/05/0281; US 8. 3. 2007, 9 B/2005/8-431, Stmk-Bgld 380-kV-Leitung II (Teil Stmk); vgl auch
§ 40 Abs 1 Z 7 u 11 ElWOG 2010, BGBl I 2010/110.
65 Vgl Neubauer/Onz/Mendel, Starkstromwegerecht (2010) § 7 StWG Rz 107.
66 Vgl Stolzlechner, Elektrische Freileitungen und Landschaftsschutz im Land Salzburg, ZfV 1984, 240 (246 f), der
etwa rein „kosmetische Auflagen“ (zB Farbgebung) oder die Vorschreibung der Verlegung einzelner Masten für
zulässig hält, eine Trassenverlegung oder Pflicht zur unterirdischen Verkabelung jedoch für „sicher unzulässig“;
zur Diskussion um die Verkabelungspflicht von Stromleitungen siehe auch Berka, Gutachten „Zur Verfassungs-
mäßigkeit der Verkabelungspflicht nach § 54a des Entwurfs einer Salzburger Landeselektrizitätsgesetz-Novelle
2008“ (2008) 9 ff, abrufbar unter http://www.salzburg.gv.at/Stellungnahmen%20zu%20Gesetzentw%C3%BCrfen/
H-Landeselektrizit%C3%A4tsgesetz-Novelle%202008/verkabelung%20gutachten%20berka.pdf (abgefragt am 7. 3.
2016) sowie Bräuer, Die Genehmigung der 380-kV-Salzburgleitung: Erdverkabelung versus Freileitung, RdU 2011,
91; vgl auch Neubauer/Onz/Mendel, Starkstromwegerecht § 7 StWG Rz 107 ff.
67 Vgl US 8. 3. 2007, 9 B/2005/8-431, Stmk-Bgld 380-kV-Leitung II (Teil Stmk): „Erweist sich die Errichtung einer Anlage,
die Verwirklichung eines Vorhabens, als rechtlich geboten, dann haben materienfremde Interessen zurückzutre-
ten.“; ebenso Mayer, Rechtsfragen der Verbundwirtschaft, ecolex 1996, 45 (48 f); Hauer, Starkstromwegeplanung,
in Hauer/Nußbaumer, Österreichisches Raum- und Fachplanungsrecht (2006) 304 (306 und 306 FN 21); Berka,
Gutachten Salzburger Landeselektrizitätsgesetz-Novelle 9 ff.
68 Neubauer/Onz/Mendel, Starkstromwegerecht § 7 StWG Rz 13.
69 Vgl Berka, Gutachten Salzburger Landeselektrizitätsgesetz-Novelle 9 mit Nachweisen aus der Judikatur.
zurück zum
Buch Austrian Law Journal, Band 1/2016"
Austrian Law Journal
Band 1/2016
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2016
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 110
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal