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ALJ 1/2016 Daniel Heitzmann 31
der Behörde, deren Hauptaufgabe an sich die Feststellung dieses Interesses ist, wird denkbar
gering; die starkstromwegerechtliche Bewilligung von PCI wird so zur Formsache.
Auch in weiteren Verfahren, die zur Gesamtgenehmigung einer Starkstromanlage oftmals
durchzuführen sind, sind ähnlich geartete öffentliche Interessen zu prüfen und werden durch
die TEN-E-VO prädeterminiert. So erlaubt etwa § 13b Abs 2 Z 2 stmk NSchG Projektbewilligungen
in Europaschutzgebieten bei Vorliegen von „zwingenden Gründen des überwiegenden öffentli-
chen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“, ein solches Interesse
verlangen auch die §§ 13c und 13d leg cit für Ausnahmen von Pflanzen- und Tierschutzbestim-
mungen.70 Ausnahmen vom wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot sind bei „übergeordnetem
öffentlichen Interesse“71 möglich, eine forstrechtliche Rodungsbewilligung kann dann erteilt wer-
den, „wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten
Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt“72. Auch in
Enteignungsverfahren und sonstigen grundrechtlichen Abwägungsentscheidungen ist das Vorlie-
gen öffentlicher Interessen vonnöten. In all diesen Verfahren ist deren Ermittlung nicht weiter
Gegenstand einer intensiven Auseinandersetzung zwischen Behörde und Verfahrensbeteiligten.73
Das bedeutet aber freilich nicht, dass die Genehmigung anhand dieser Materiengesetze nicht
durch andere, dem energiepolitischen Interesse gegenläufige öffentliche Interessen verhindert
werden kann.
2. Verfahrenskonzentration
Für die Errichtung einer Stromleitung sind regelmäßig mehrere Bewilligungen, zB starkstromwege-,
wasser-, forst-, oder naturschutzrechtliche, von meist mehreren Behörden notwendig. Um die
sich daraus ergebende Komplexität des Genehmigungsprozesses für Energieinfrastrukturprojek-
te zu mindern und seine Effizienz und Transparenz zu verbessern,74 musste in jedem Mitglied-
staat eine einheitliche zuständige Behörde benannt werden, die nach Wahl der Mitgliedstaaten
entweder (1) alleinzuständig für Bewilligungsverfahren von PCI ist und eine „umfassende Ent-
scheidung“ erlässt („integriertes Schema“) oder (2) die Einzelentscheidungen betroffener Behör-
den koordiniert, Erledigungsfristen setzt und bei Fristversäumnis die Entscheidung selbst vor-
nimmt („koordiniertes Schema“) oder (3) lediglich in koordinativer Rolle auftritt, ohne die Ent-
scheidung säumiger Behörden übernehmen zu können („Kooperationsschema“).75 Im österrei-
chischen Energie-Infrastrukturgesetz hat man sich für letzteres Schema entschieden und be-
nennt den BM für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) als zuständige Behörde.
Seine koordinierende Rolle übt der BMWFW jedoch nur für nicht UVP-pflichtige Vorhaben sowie
bei Zuständigkeit mehrerer UVP-Behörden aus; bei UVP-pflichtigen Vorhaben soll durch Übertra-
gung76 an die ohnehin alleinzuständige UVP-Behörde eine dem integrierten Schema gleiche Ver-
fahrenskonzentration erreicht werden.77
70 §§ 13c Abs 6 Z 3 und 13d Abs 5 Z 3 stmk NSchG.
71 § 104a Abs 2 Z 2 WRG 1959.
72 § 17 Abs 3 ForstG.
73 N. Raschauer/Sander, SPRW 2012 VuV A, 9 (15).
74 Vgl ErwGR 29 TEN-E-VO.
75 Art 8 Abs 3 lit a–c TEN-E-VO; die Auswahl letzteren Schemas muss der Kommission unter Angabe von Gründen
bekanntgegeben werden.
76 Vgl Art 8 Abs 2 TEN-E-VO.
77 ErläutRV 626 BlgNR 25. GP 3.
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Austrian Law Journal
Band 1/2016
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2016
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 110
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal