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ALJ 1/2016 Daniel Heitzmann 41
eine „De-Facto-Enteignung“, also die Beseitigung jeglicher sinnvollen Benutzungsmöglichkeit des
Grundstücks,129 liegt nicht vor, da das Bauverbot nur relativ (Ausnahmen sind durch Zustimmung
der Behörde möglich) und temporär (maximal zehnjährige Geltungsdauer der Verordnung) wirkt.
Es kann sich also nur um einen „sonstigen Eigentumseingriff“130 (sog Eigentumsbeschränkung)
handeln.131 Eine Eigentumsbeschränkung ist dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn sie
im nachweislich öffentlichen Interesse steht und sich als geeignet, erforderlich und adäquat zu
dessen Erreichung darstellt.132 Sowohl der die Eigentumsbeschränkung ermöglichende § 14
Energie-Infrastrukturgesetz als auch konkrete Trassensicherungsverordnungen müssen also
diesen Rechtfertigungskriterien entsprechen.
Die Möglichkeit der Festlegung von Trassenplanungsgebieten verfolgt das öffentliche Interesse,
den beschleunigten Ausbau von für die transeuropäische Energieversorgung benötigten Strom-
leitungsanlagen durch Trassensicherungsmaßnahmen zu unterstützen, indem das Heranbauen
an die voraussichtliche Trasse verhindert wird.133 Das Instrument scheint auch geeignet, kann es
doch Bauvorhaben, die das geplante Leitungsprojekt gefährden können, verhindern und somit
Verzögerungen bei der Projektverwirklichung vermeiden. Da das Planungsinstrument nur dann
ergriffen werden darf, wenn anders zu befürchten wäre, dass durch bauliche Veränderungen im
betreffendem Gebiet der geplante Bau der elektrischen Leitungsanlage erheblich erschwert oder
wesentlich verteuert würde und zudem Bauten auf Antrag von der Behörde ermöglicht werden
können, scheint auch die Erforderlichkeit gegeben, um den Sicherungszweck zu erreichen; disku-
tabel ist dabei jedoch die mit bis zu zehn Jahren relativ lange mögliche Geltungsdauer der Ver-
ordnung. Vor allem mit Hinblick darauf, dass die Genehmigungsverfahren in maximal dreieinhalb
Jahren erledigt sein sollen, könnte eine kürzere Frist ein gelinderes Mittel darstellen. Es ist jedoch
zu bedenken, dass eine Trassensicherung, um ihren Zweck zu erfüllen, so lange aufrecht erhalten
werden muss, bis der Projektwerber über einen – im Extremfall zwangsweise durchzusetzenden –
Nutzungstitel für die benötigten Grundstücke verfügt. Bis dahin kann auch nach dem – binnen
dreieinhalb Jahren zu ergehenden – Genehmigungsbescheid erster Instanz eine beträchtliche Zeit
vergehen, müssen doch regelmäßig Rechtsmittelverfahren bezüglich der Projektgenehmigung
sowie daran anschließend Enteignungsverfahren134 und diesen folgende Rechtsmittelverfahren
durchgeführt werden. Im Hinblick auf diese Folgeerscheinungen des Projektgenehmigungsver-
fahrens kann die Zehnjahresfrist für die maximale Geltung der Trassensicherung durchaus als
erforderlich bezeichnet werden, zumal diese ja ohnehin aufzuheben ist, sobald der Grund für
ihre Erlassung wegfällt.135 Bei der Adäquanzprüfung ist das Gewicht des verfolgten öffentlichen
Interesses dem der verkürzten Grundrechtspositionen betroffener Grundeigentümer gegenüber-
zustellen. Ersteres wiegt im Falle von Leitungsprojekten, die in einem erwiesenen nationalen und
unionalen Interesse stehen, freilich schwer. Da das Eigentum durch ein Trassensicherungsgebiet
ja bloß befristet und auch nur relativ – Ausnahmegenehmigungen sind schließlich erlaubt – ein-
129 Vgl EGMR 18/1992/363/437, Papamichalopoulos ua/Griechenland, ÖJZ 1994, 177.
130 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 Rz 871.
131 Vgl VfSlg 9306/1981, wonach die Versagung bzw der Widerruf einer Baubewilligung zufolge der damit verbunde-
nen Versagung der Ausübung des aus dem Eigentum erfließenden Rechtes zur Bebauung eines Grundstückes in
das Eigentum eingreift.
132 Siehe nur Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 Rz 716 und 877.
133 Vgl ErläutRV 626 BlgNR 25. GP 7.
134 Vgl §§ 18 ff StWG 1968.
135 § 14 Abs 3 E-InfrastrukturG; zur Pflicht zur Planänderung, sobald eine Eigentumsbeschränkung ihren Zweck verfehlt
VfSlg 14.969/1997.
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Austrian Law Journal
Band 1/2016
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2016
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 110
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal